Stadt will nicht kaufen

Wird das besetzte Haus in Gaarden geräumt?

Zum Redaktionsschluß (26.4.) war es fraglich, wie lange die Besetzer am Karlstal in Gaarden noch in dem Haus bleiben können. Der Zwangsverwalter des Gebäudes, ein Kieler Rechtsanwalt, hatte eine Räumungsfrist bis zum 24. gesetzt. Er, bzw. die Gläubigerbank, sei zwar weiter bereit, mit der Stadt über den Verkauf des Hauses zu verhandeln. Da aber kein Versicherungsschutz mehr für das Haus bestehe, müsse er auf einer Räumung bestehen. Nachfragen bei der Provinzial-Versicherung ergaben, daß die Versicherungen wegen des Leerstands (und nicht wegen der Besetzung) gekündigt worden waren und die Feuerversicherung nocht weiter bestehe, so eine Sprecherin des Besetzerplenums auf einer Pressekonferenz am 23.4. Es sieht also eher danach aus, als wolle der Verwalter nur ein wenig Bewegung ins Spiel bringen. Er hatte jedenfalls angekündigt, im Falle, daß nicht freiwillig geräumt werde, der Gläubigerbank zu empfehlen, das Haus zwangsweise räumen zu lassen.

Die Besetzer wollen, das wurde am 23.4. klar, auf jeden Fall bleiben, bis die Polizei an die Tür klopft. An Widerstand ist allerdings nicht gedacht. „Wenn’s zur Räumung kommt, wollen wir friedlich bleiben.“ Man erinnere sich jedoch noch gut an die Räumung des Fördehauses an der Hörn vor zwei Jahren, bei der 200 Polizisten mit ziemlicher Brutalität vorgegangen waren. Junge Mädchen seien damals an den Haaren die Treppen heruntergezogen worden. Viele Illusionen macht man sich also nicht mehr in der Villa im Herzen Gaardens.

Gut eine Woche vor dem Ablauf des Ultimatums des Verwalters beriet die Ratsversammlung auf Antrag der Bündnisgrünen die Zukunft des besetzten Hauses in Gaarden. Konkretes Ziel des grünen Antrages war es, einen Auftrag an das Liegenschaftsamt zu erteilen, „mit den dafür Zuständigen über den Erhalt des Hauses Karlstal 34a als Autonomes Jugendzentrum zu verhandeln.“

Edina Dickhoff, Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, lobte in ihrer Antragsbegründung das Engagement der BesetzerInnen. Die Situation für Jugendliche werde „immer schwieriger“, Passivität sei das normale Verhaltensmuster. Unter diesen Umständen könne die Aktion nur begrüßt werden. Vor über zwei Jahren, bei der Besetzung des Fördehauses, sei sie selbst davon ausgegangen, daß es sich um eine „Feriengeschichte“ handele, die schnell vorbeigehe. Inzwischen müsse eingestanden werden, daß die Jugendlichen „verläßlich sind“. Selbst im Stadtteil habe „die Arbeit der Jugendlichen breite Anerkennung gefunden“.

Problematisch sei, daß es sich bei dem besetzten Haus um kein städtisches Gebäude handele. Deshalb müsse die „Verhandlungskompetenz des Liegenschaftsamtes zur Verfügung gestellt“ werden, um Verhandlungen über eine Nutzung des seit über zwei Jahren leerstehenden Hauses zu ermöglichen. Edina Dickhoff sprach von einem eventuellem Mietvertrag, ein von den Jugendlichen avisierter Trägerverein könne „in den Mietvertrag rein“.

Auch der jugendpolitische Sprecher der SPD, Heinemann, konnte sich für das Engagement der Jugendlichen begeistern. So etwas „exotisches, wie eine Jugendinitiative“ gebe es schon lange nicht mehr. Allerdings sei die Forderung nach einem Kauf des Hauses seitens der Stadt illusorisch: „Die Stadt hat niemals ein Haus gekauft.“ Gleichwohl habe die Stadt schon früher helfen können, wie z.B. im Falle der Hansastraße 48. In einem Halbsatz machte Heinemann den Jugendlichen Hoffnung auf das besetzte Haus. Er könne sich vorstellen, daß „sogar an dieser Stelle“ sich etwas entwickele.

Sein Fraktionschef Raupach dämpfte diese Hoffnung wieder: „Der Preis (des Hauses - Red.) ist eindeutig zu hoch, so daß ein Kauf nicht in Frage komme. Ein „begrenzter Mietzuschuß“ für ein offenes Jugendzentrum in geeigneten Räumen sei dagegen möglich: „Diese Zusage hat die Gruppe schon vor einem Jahr von uns bekommen.“ Ein offenes Jugendzentrum „ist ein Experiment wert“, so der Fraktionsvorsitzende der SPD.

Allerdings blieb die SPD eine Erklärung für die von ihr beantragte Überweisung des Antrages in den Jugendhilfeausschuß schuldig. Der Verweis auf den zu hohen Kaufpreis seitens des Fraktionsvorsitzenden deutet darauf hin, daß die Stadt Kiel pokert, um den Kaufpreis zu reduzieren. Ein gefährliches Spiel, da die Eigentümerin wiederum eine schnelle Entscheidung seitens der Stadt fordert. Sollte dieses Pokerspiel nicht aufgehen, dann müssen wieder einmal die Jugendlichen für die Entscheidungen bzw. Nicht-Entscheidungen der Stadt die Zeche zahlen.

Die Bündnisgrünen sperrten sich nur zaghaft gegen die Überweisung des Antrages in den Jugendhilfeausschuß. Diese sei bezüglich der Inhalte des Hauses, des Konzeptes etc. sinnvoll, so Edina Dickhoff. Aber für den formalen Rahmen müsse das Liegenschaftsamt sorgen: „Solange die Stadt nicht in der Lage ist“, selbst zu helfen, sei „das mindeste, die Verhandlungskompetenz“ bereitzustellen. Trotzdem überwiesen die Bündnisgrünen letztlich ihren eigenen Antrag mit den Stimmen des Koalitionspartners SPD in den Jugendhilfeausschuß. Edina Dickhoff begründete dies mit den Mehrheitsverhältnissen, die nur diese Option zugelassen hätten.

Gewohnt einfallslos gebärdete sich die Opposition aus SUK und CDU, die unisono beklagte, daß die Ratsmehrheit sich dem „Druck“ der Straße beuge. Jede Hilfestellung würde bedeuten: „Das kostet in jedem Fall eine Menge Geld“, dieses sei aber „alles andere als wünschenswert“ und außerdem „ein Schlag ins Gesicht für alldiejenigen, die in Vereinen und Initiativen nicht mit Gewalt etwas versuchen“, so OB-Kandidat Kottek von der SUK. Im Chor mit Gert Meyer (CDU) und Arne Wulff (Fraktionsvorsitzender der CDU) meinte Kottek: „Das können wir den anderen Jugendlichen nicht antun.“

Für die CDU lehnte Meyer sowohl den Antrag als auch dessen Überweisung in den Jugendhilfeausschuß ab: „Eine Mehrheit von Jugendlichen wird sich vor den Kopf gestoßen fühlen.“ Das Anliegen der Jugendlichen sei zwar berechtigt („so unrecht haben die nicht“), die Finanzlage verbiete aber eine positive Entscheidung: „Wir haben nur das Problem, das wir wenig Geld haben.“ Gleichwohl könne es Verhandlungen geben, wenn die BesetzerInnen aus dem Haus raus seien.

Als Hardliner präsentierte sich der OB-Kandidat Arne Wulff: „Es geht hier gar nicht um Jugendpolitik“, es gehe darum, daß die Stadt sich durch die Hausbesetzung „fast erpressen läßt“. Bei einer Überweisung oder Zustimmung des Antrages „legalisieren wir Besetzung“, so die Logik der CDU. Es könne nicht sein, daß „derjenige belohnt wird, der sich nicht an die Spielregeln hält“, sagte Wulff im gleichen Wortlaut, mit dem KN-Schreiber Tim Holborn tags zuvor im örtlichen Monopolblatt in einem Kommentar gegen die BesetzerInnen Stimmung gemacht hatte.

Die Bündnisgrünen erinnerten die bürgerliche Opposition daran, wie sie sich seinerzeit im Falle der Getränkesteuer verhalten hatte. Damals hatte auch das ausfällige Benehmen der GestränkesteuergegnerInnen auf den Zuschauerrängen - unter anderem wurde die Ratsverammlung mit Sekt besprüht - CDU und SUK nicht davon abgehalten, für die Abschaffung der Steuer zu stimmen. Aber auch das konnte die Populisten erwartungsgemäß nicht umstimmen.

Einige Tage später wurde auf der Sitzung des Jugendhilfeausschußes dann vollends klar, daß auch die SPD nicht daran denkt, das Haus Karlstal 34a für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum zu erwerben. Trotz aller Sonntagsreden scheint für die Sozialdemokraten das Eigentumsrecht von Spekulanten Vorrang vor den Interessen und der Eigeninitiative von Jugendlichen zu haben. Einem Antrag des Jugendrings, die Stadt möge die Bemühungen um das Haus unterstützen, stimmten lediglich die Grünen zu. (usch, wop)