Linotype-Hell: Belegschaft demonstriert gegen Massenentlassungen

Die Stimmung war so mies wie das nord-deutsche Schmuddelwetter. Knapp 1.000 Beschäftigte von Linotype-Hell demonstrierten am 23.4. in der Kieler Innenstadt gegen die drohenden Massenentlassungen.

370 der 1.400 MitarbeiterInnen sollen nach Vorstellung des Unternehmens ihren Arbeitsplatz verlieren. Damit findet nach zehn Jahren ein rasanter Arbeitsplatzabbau seinen neuen Höhepunkt. Mitte der 80er Jahre waren knapp 3.000 Menschen bei der damaligen Firma Hell beschäftigt. Hell war weltweit führend in der Herstellung von Geräten für die Druckvorstufe. In der Bild- und Textverarbeitung gibt es viele Patente und bahnbrechende Erfindungen, so wurde z.B. das Faxgerät in Kiel erfunden.

Durch Fehler in der Produktpolitik, z.B. wurde die Digitalisierung zu spät begonnen, kam es zur ersten größeren Krise 1987/88. 1990 wurde die Firma Hell von der 100%igen Mutter Siemens an Linotype (mit Sitz in Eschborn) verkauft. Managementfehler führten zum Ende zukunftsträchtiger Entwicklungen wie der Elektronenstrahlgravur. Eine fast fertigentwickelte kleine Gravurmaschine wurde an die Konkurrenz verkauft, die heute mit dieser Technologie gute Geschäfte macht.

Mitte 1996 hat die Heidelberger Druckmaschinen AG die Aktienmehrheit des angeschlagenen Betriebes von Siemens, der Commerzbank und Kleinaktionären übernommen. Der Betriebsrat begrüßte die Übernahme: „Die geplante Verschmelzung mit der Heidelberger Druckmaschinen AG, der weltgrößte Druckmaschinenbauer, eröffnet uns neue Chancen, denn jetzt kann die gesamte Produktionsstrecke von der Vorlageerstellung bis zum fertigen Produkt aus einer Hand geliefert werden“, heißt es in einer Erklärung des Betriebsrats. „Denn die neuen gemeinsamen Vertriebswege und die in 1997 und 1998 neu entwickelten Geräte“ würden „zu einer Verbesserung der Lage führen“.

Gleichwohl geht der Vorstand rabiat vor. Mitte Dezember 1996 eröffnete er den Eschborner KollegInnen, daß ihr Werk komplett geschlossen werde. Zusagen seitens der hessischen Landesregierung, finanzielle Hilfe zu gewähren, halfen nicht. Auch in Kiel zeigt sich der Vorstand stur. Mitte Januar eröffnete er dem Betriebsrat die beabsichtigte Kündigung von 385 MitarbeiterInnen in der Produktion. In den anschließenden Gesprächen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat bahnte sich eine Lösung an. Die Reduzierung der Belegschaft sollte über freiwillige Aufhebungsverträge und über Vorruhestandsregelungen erreicht werden. Außerdem sollte der größte Teil des Arbeitsplatzabbaus über die Einführung der 30-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich, die Einführung von Arbeitszeitkonten etc. verhindert werden. Trotz aller Zugeständnisse seitens der Belegschaft hat der Vorstandsvorsitzende der Heidelberger Druckmaschinen AG die beinahe erreichte Einigung torpediert: 370 MitarbeiterInnen sollen nun bis Ende des Jahres ihren Hut nehmen.

Linotype-Hell bietet das klassische Bild eines von Managementfehlern gebeutelten Betriebes. Verständlich also, daß sich die Angriffe des Betriebsrats und die Wut der Beschäftigten auf der Demonstration gegen das inzwischen mehrfach ausgewechselte „Führungspersonal“ richteten. Aber auch die Kürzungen im Sozialbereich, die Verantwortlichen in der „rahmengebenden“ (Bundes-) Politik wurden gegeißelt. Wolfgang Mädel (IGM-Bevollmächtigter) kritisierte den rasanten Arbeitsplatzabbau z.B. bei DST (Konkurs), bei Hagenuk-Honeywell und weiteren Kieler Firmen: Z.B. sollen bei HDW trotz bester Ertragslage ca. 300 MitarbeiterInnen entlassen werden. (usch)