Ist Beate Klarsfeld eine Verfassungsfeindin?

Wie bereits vor zwei Wochen berichtet, versucht der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz, die Aufklärungsarbeit verschiedener Gruppen in Zusammenhang mit dem Lübecker Brandanschlag vom Januar ’96 zu diffamieren. Ein ganzes Kapitel mit der bezeichnenden Überschrift „Beeinflussung des Lübecker Brandprozesses durch linksextremistische Gruppen“ widmet er in seinem Jahresbericht ihrer Arbeit.

Folgt man den Kieler Verfassungsschützern, so scheinen es vor allem „Linksextremisten“ zu sein, die die Lübecker Staatsanwaltschaft kritisieren. Die verdächtigen Grevesmühlener hingegen, so erfahren wir, kommen nur aus „vermeintlich rechtsradikalen Kreisen“.

Insbesondere wird das „Lübecker Bündnis gegen Rassisimus“ ins Visier genommen, in dem „militante Autonome führend mitarbeiten“. Das Bündnis hat sich bei den Kieler Schnüfflern u.a. durch sein regelmäßig erscheinendes „Prozeßinfo“ unbeliebt gemacht. In diesem werde „immer wieder der Vorwurf wiederholt, die Ermittlungsbehörden hätten einseitig und damit ’rassistisch’ gegen den Angeklagten ermittelt“.

Auch die „Internationale Unabhängige Kommission“ wird als Bestandteil der angeblichen linksextremistischen Prozeßbeeinflussung aufgelistet. In ihr arbeiten namhafte Personen aus dem westeuropäischen Ausland, darunter auch Beate Klarsfeld, an der Aufklärung der Hintergründe des Brandanschlages. Die Kommission habe sich auf „Initiative führender Funktionäre des revolutionär-marxistischen ’Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD’“ gebildet.

LinX sprach mit Matthias Böttcher, dem innenpolitischen Sprecher der Kieler Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen über den Versuch der Landesbehörde, antirassistische Arbeit zu stigmatisieren, und über den Lübecker Prozeß gegen Safwan Eid. (wop)
 

LinX: Unter der Überschrift „Beeinflussung des Lübecker Brandprozesses durch linksextremistische Gruppierungen“ berichtet der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz über die Kritik an der Staatsanwaltschaft. Ist die Vorsitzende der Grünen Landtagsfraktion, Irene Fröhlich, eine Linksextremistin?

Matthias Böttcher (MB): Das kommt auf den Standpunkt an. Aus Sicht von Verfassungsschützern vielleicht und sehr konservativen Politikern sicherlich, aus meiner natürlich nicht. Der Verfassungsschutzbericht klammert aus, daß auch in bürgerlichen Spektren und Justizkreisen Kritik an dem Verfahren geäußert wird.

LinX: Was machen die Grünen mit dieser Kritik?

MB: Wir setzen uns mit dem ganzen Verfassungsschutzbericht auseinander, den ich nicht für besonders relevant und aussagekräftig halte. In diesem Zusammenhang steht unsere Forderung nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes.

LinX: Und was folgt aus Ihrer Kritik an der Lübecker Staatsanwaltschaft? Ist die Zeit nicht langsam reif für einen parlamentarischen Untersuchungssauschuß?

MB: Ein Untersuchungsausschuß ist nur dann angebracht, wenn von einer politischen Einflußnahme ausgegangen wird. Das tun wir nicht. Ansonsten wäre ein dienstrechtliches Verfahren zu verlangen. Das müßte aber von den Betroffenen geschehen.

LinX: Das Lübecker Bündnis gegen Rassismus und die Internationale Unabhängige Kommission sind nach Meinung der Geheimdienstler von Verfassungsfeinden unterwandert.

MB: Ich halte das Bündnis nicht für verfassungsfeindlich und finde seine Kritik an den Ermittlungen durchaus legitim. Dieser Bericht dient meiner Meinung nach dazu, die Arbeit des Bündnisses und der Kommission zu diskreditieren, um sich mit der vorgebrachten Kritik nicht auseinandersetzen zu müssen.

LinX: Werden die schleswig-holsteinischen Grünen ihren Koalitionspartner, die SPD, darauf ansprechen?

MB: Durchaus. Wir sind, was den Verfassungsschutz angeht, insgesamt in der Diskussion, da wir ihn für obsolet halten und seine Berichte keine gesellschaftliche Diskussion ersetzen können.

LinX: Nocheinmal zu Lübeck: Wann gibt es endlich ein Bleiberecht für die Brandopfer?

MB: Das hängt vom Bundesinnenministerium ab. Der Landtag hat die entsprechenden Anträge gestellt, doch formal entschieden wird in Bonn. Wenn es um ein Gruppen-Bleiberecht geht, ist nach den geltenden Gesetzen die Zustimmung Kanthers erforderlich. Ich hoffe, daß der Bundesinnenminister bald ein solches Bleiberecht ausspricht, und zwar unabhängig vom Prozeßausgang. Sollte das nicht geschehen, müssen wir individuelle Lösungen für die Menschen finden.