Besetztes Jugendzentrum geräumt!

Ostersonntag besetzten Jugendliche das Haus Karlstal 34a in Kiel-Gaarden und hatten mit viel Energie begonnen, dort ein freies und selbstverwaltetes Jugendzentrum einzurichten. Nach 32 Tagen Besetzung wurde das Haus am 29.4. von Kieler Polizeieinheiten und einem angereisten Sondereinsatzkommando (SEK) aus Eutin geräumt.

Die Polizei rückte früh morgens, um 5.30 Uhr an und gab den BesetzerInnen eine halbe Stunde Zeit das Gebäude freiwillig zu verlassen. Drei Menschen verließen daraufhin das Haus, die Polizei nahm ihre Personalien auf. Um 6.00 Uhr drang das SEK durch ein Fenster ein. Die Jugendlichen mußten sich in einem Raum versammeln, dort wurde mit der Personalienfeststellung begonnen. Nach dieser Prozedur, die manche passiv, andere eher gezwungenermaßen über sich ergehen lassen mußten, wurden sie nach und nach einzeln aus dem Haus geführt und zu den umstehenden UnterstützerInnen entlassen. Die BesetzerInnen hatten bereits im Vorfeld der Räumung deutlich gemacht, daß sie das Haus nicht freiwillig verlassen werden, aber auch, daß sie sich bei der Räumung ruhig und gewaltfrei verhalten würden.

Mit fünf AktivistInnen hatte die Polizei allerdings größere Schwierigkeiten. Um die Räumung möglichst lange zu blockieren, hatten sie sich in zwei Gruppen auf dem Dach des Hauses festgekettet. Zusätzlich waren sie mit Seilen gesichert. Die Polizei war zuerst ratlos und forderte dann die Feuerwehr mit einem Hubwagen an. Ein besonders mutiger SEKler näherte sich dann den DachbesetzerInnen per Hebebühne. Auf dem Dach angekommen durchschnitt er zuerst die Sicherungsleinen der BesetzerInnen um dann an deren Haaren, Armen und Gesicht herumzuzerren. Für die untenstehenden UnterstützerInnen erschien die Aktion mehr und mehr als zu riskant. Eine Gefährdung der DachbesetzerInnen durch den SEKler war nicht mehr auszuschließen. Sie forderten die DachbesetzerInnen per Megaphon auf, die Aktion abzubrechen und handelten gleichzeitig mit der Einsatzleitung der Polizei aus, daß sie nicht festgenommen werden. Daraufhin verließen die BesetzerInnen freiwillig mit der Hebebühne das Dach.

Obwohl die Aktion und die Räumung damit beendet war, stürzte sich ein ganzer Pulk Polizisten auf die ersten drei am Boden angekommenen DachbesetzerInnen. Den dreien wurden die Arme auf den Rücken gezerrt und Verstauchungen und Quetschungen zugefügt. Nach einer Personalienfeststellung wurden sie freigelassen.

Die BesetzerInnen waren von der Räumung überrascht worden. Noch am Vorabend hatte ihnen der Kieler Polizeichef Pistol zugesichert, daß er vor der Räumung noch einmal ein Gespräch führen wolle. Offenbar verstand er darunter seine frühmorgendliche Aufforderung das Gebäude freiwillig zu verlassen.

Gegen Mittag zogen die Jugendlichen mit wenigen UnterstützerInnen in die Innenstadt um gegen die Räumung zu protestieren. Sie statteten auch dem Rathaus einen Besuch ab. Einigen BesetzerInnen gelang es, die Sozialdezernentin der Stadt Kiel, Annegret Bommelmann, zu leichten Betroffenheitsäußerungen zu bewegen, andere stießen bei der Suche nach weiteren verantwortlichen PolitikerInnen auf eine Gruppe Sekt schlürfender Menschen, die sich später als GeburtstagsgratulantInnen eines Rathauspförtners herausstellten. Doch statt Sekt anzubieten stürmte ein Pförtner (ob’s der Jubilar selbst war ist dem Autor nicht bekannt) auf die Gruppe zu, wollte sie aus dem Raum drängen und schlug dabei einem der Jugendlichen ins Gesicht. Der Jugendliche schlug zurück.

Diesen „Akt der Gewalt“ nahmen die StadtvertreterInnen aller Fraktionen (natürlich auch die der Grünen) zum Anlaß, sämtliche Gespräche und Verhandlungen mit den Jugendlichen abzubrechen. „Bis die Sache geklärt ist“, heißt es. Ob die rotgrünen PolitikerInnen diese Rathausaktion als Vorwand nehmen werden, um sich den Verhandlungen um ein freies und selbstverwaltetes Jugendzentrum in Kiel endgültig zu entziehen, wird sich in Zukunft zeigen.

Die Jugendlichen selbst werden ihren Kampf um ein Zentrum weiterführen. Zur Zeit treffen sie sich zwei mal in der Woche um weitere Aktionen zu planen. Freitagabends in der Alten Meierei, im Kaffee Weltrevolution, mit Volxküche und anschließendem Plenum und Montagabends im Infoladen, in der Hansastraße 48. (ig)