KERNspalte

Zu einer Entschuldigung bei der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg haben die niedersächsischen Landtags-Grünen den Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) nach der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 1996 am 4.6. aufgefordert. In dem Papier werden Mitglieder und Gruppen des wendländischen Atom-Widerstandes als Linksextremisten eingestuft. „Wenn die Herren sich heute durchgerungen haben, dieser Diffamierung zu widersprechen, so sollten sie auch den Anstand besitzen und sich entsprechend gegenüber den Beschuldigten äußern. Außerdem muß sofort Schluß sein mit den Bespitzelungen und Hausdurchsuchungen“, sagte Rebecca Harms, die stellvertretende Grünen-Vorsitzende. Die Anschuldigungen des Bonner Geheimdienstes hätten seinerzeit den gesamten Anti-Atom-Protest in Mißkredit bringen sollen. Harms kritisierte, daß auch der neue niedersächsische VS-Bericht wieder Aussagen enthält, die den Castor-Protest zum Systemkampf gegen den Staat zu stilisieren versuchten.

Am 28.5. wurde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Moabit nach 12 Jahren Rechtstreit die Klage eines Anwohners gegen die Betriebsgenehmigung des Forschungsreaktors des Berliner Hahn-Meitner-Instituts verhandelt. Die Klage wurde abgewiesen. Aus dem soeben erschienenen „Jahresbericht 1994 Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung“ des Bundesumweltministeriums geht nun aber hervor, daß der HMI-Reaktor 1994 mehr Radioaktivität in Form von Tritium und radioaktiven Edelgasen abgegeben hat als das AKW Krümmel, in dessen Umfeld die weltweit höchste Leukämierate um ein Atomkraftwerk gefunden wurde. Obwohl der relativ kleine HMI-Reaktor soviel Radioaktivität wie ein Leistungskraftwerk ausstößt, liegt er direkt am einem Wohngebiet und in der Hauptwindrichtung einer Millionenstadt. Da an allen untersuchten AKW-Standorten - auch bei Einhaltung der Grenzwerte - erhöhte Leukämie-Raten gefunden wurden, ist auch im Umkreis des Hahn-Meitner-Instituts eine Häufung von Leukämie-Fällen zu erwarten. Von Seiten des HMIs wurde behauptet, daß im Obst benachbarter Kleingärten gefundene radioaktive Isotop Cer könne nicht aus dem HMI-Reaktor stammen, da dann auch Cäsium und Jod hätten gefunden werden müssen. Das auch um das AKW Krümmel gefundene Cer kann jedoch auch unabhängig davon als Zerfallsprodukt des radioaktiven Edelgases Xenon auftreten. Eine Herkunft aus dem HMI ist also durchaus möglich. Mitarbeiter Steinmetz der Senatsverwaltung für Umweltschutz begründete die Ungefährlichkeit des HMI-Reaktors damit, daß selbst bei den hohen Strahlendosen in Tschernobyl keine Leukämie aufgetreten sei. Bei der in Tschernobyl gemessenen extrem hohen Strahlenbelastung entwickeln sich jedoch Strahlenschäden ganz anderer Art, so daß Leukämie erst gar nicht diagnostiziert wird. Leukämie fällt dagegen vor allem bei radioaktiver Niedrigstrahlung auf. Genausogut hätte Steinmetz sagen können, daß bei einem mit einer vergifteten Kugel Erschossenen keine Blutvergiftung gefunden werden könne. (jm, nach Pressemitteilungen)