Kommentar:

In dubio ...

Daß die deutsche Justitia nur auf dem rechten Auge blind ist, sollte niemande(n) mehr verwundern. Was sich jedoch in Lübeck im sog. „Hafenstraßen-Prozeß“ gegen den Libanesen Safwan Eid monatelang abspielte, kann man nur noch mit dem Vorsatz der Rechtsbeugung seitens des anklagenden Staatsanwalts Michael Böckenhauer erklären.

Eine Ermittlungs„panne“ jagte die andere. Die in der Nacht des Brandanschlages auf die Flüchtlingsunterkunft in der Hafenstraße gesichteten Verdächtigen wiesen Versengungsspuren auf, Grund genug für die Staatsanwaltschaft, solchen Hinweisen nicht weiter nachzugehen und stattdessen eines der Opfer der Brandnacht zu verfolgen - mit hahnebüchenen Konstrukten und einem Hauptbelastungszeugen, der im Lärm der Löschzüge irgendetwas wie „Wir warn‘s“ aus dem Munde Safwan Eids gehört haben will. Der Brandschutzexperte Ernst Achilles wurde vom Ankläger systematisch demontiert, getreu dem Motto: Wir lassen so lange Gutachten erstellen, bis eines das sagt, was wir hören wollen. Nebenher wurden diejenigen diffamiert und kriminalisiert, die sich für die Brandopfer einsetzten und das haarsträubende Vorgehen der „Ermittler“ öffentlich machten, die Lübecker Initiative gegen Rassismus ebenso wie die den Prozeß beobachtende und seinen Verlauf scharf kritisierende Internationale Kommission.

Nun scheint der Staatsanwalt genug zu haben, bzw. zu wenig, um sein kartenhäusliches Anklagekonstrukt aufrecht zu erhalten. Anfang Juni plädierte er für „Freispruch trotz erheblicher Beweise“ und bemäntelte sein vermeintliches Rechtsstaatsbewußtsein mit dem Spruch „In dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten. Nicht ohne nochmals die Liste der „Beweise“ aufzuzählen, die dadurch freilich nicht einleuchtender oder gar belastender wurden.

Safwan Eid wird freigesprochen werden, das ist sicher. Ebenso sicher ist dies wohl auch dem solidarischen Engagement vieler Linker aus Lübeck (und anderswo) zuzuschreiben, die nicht müde wurden, das zu veröffentlichen, was die Staatsanwaltschaft so minutiös unter den Teppich kehren wollte. Aber wird Safwan Eid eine Entschädigung erhalten? Wird sich der Staat, der ihn wissentlich zu Unrecht verfolgen ließ, um deutsche Täter ungeschoren davonkommen zu lassen, bei ihm entschuldigen?

Damit ist nicht zu rechnen. Im Gegenteil. Im Zweifelsfall, den man bei Bedarf nach Kräften herbeiredet oder erzeugt, wird sich die deutsche Justiz immer wieder so verhalten, wie sie sich in Lübeck gebärdet hat: Im Zweifel gegen das nicht-deutsche Opfer und für den deutschen Täter - auch den am Schreibtisch. (jm)