Gansel inthronisiert

Mit viel Vorschußlorbeeren ist Norbert Gansel in der Ratsversammlung vom 12.6. bedacht worden. Vor vollem Haus wurde der erste direkt gewählte Kieler OB vereidigt. Stadtpräsidentin Silke Reyer (SPD) bewertete das eindeutige Wahl-Votum für „Nobbi“ Gansel als „Wunsch der Bevölkerung nach einem starken Oberbürgermeister im Rathaus.“ Sie verwies auf Gansels Ausspruch, „jetzt erster Interessenvertreter Kiels sein“ zu wollen und bezeichnete ihn als „Oberbürgermeister für alle Kielerinnen und Kieler“. Allerdings verwies sie auch auf die geringe Wahlbeteiligung bei der ersten Direktwahl, die ihr „etwas Sorge“ bereite, verbunden mit einem eindringlichen Appell, die Möglichkeiten der „Einflußnahme nicht zu verschenken“, „nicht nur am Wahltag, sondern auch im Alltag!“

Gansel selbst ließ es sich nicht nehmen, bei der Eidesformel („Ich schwöre, Verfassung und Gesetze zu beachten und meine Amtspflichten treu und gewissenhaft zu erfüllen“) auch auf die Hilfe Gottes zu vertrauen: „So wahr mir Gott helfe“, beendete der neue OB seinen Amtseid. Stehende Ovationen im vollbesetzten Ratssaal und auch von den Rängen waren die Folge. Während sich die Ratsversammlung normalerweise Beifalls- oder Mißfalls-Bekundungen von den Rängen verbittet, schien dies diesmal nicht opportun.

Spätestens nach der Übergabe der Amtskette an den neuen OB durch den scheidenden CDU-Bürgermeister Zimmer („Putzt Dich ungemein“) brach die große Harmonie zwischen allen Anwesenden aus.

Diese wurde auch nicht durch Gansels „Antrittsrede“ gestört, auf aktute kommunalpolitische Streitfälle ging er nicht ein: „Ich bin heute nicht klüger als am Wahltag. Deshalb ... werde ich heute keine koummunalpolitischen Grundsatzerklärungen abgeben. Dazu wird ... in der nächsten ordentlichen Ratsversammlung am 21. August nach erster Orientierung und Erfahrungen im neuen Amt Gelegenheit sein.“

Artig lobte Gansel seine MitkonkurrentInnen um das Amt des OB: „Meine Mitbewerber – denen ich auch heute meinen Respekt zollen möchte – sind nicht so schlecht wie ihre Prozentzahlen bei der Wahl.“

Gansel bestätigte sein erklärtes Ziel, OB für alle KielerInnen sein zu wollen: „Ich werde kein SPD-Oberbürgermeister sein, aber ein Oberbürgermeister, der als Sozialdemokrat seiner Partei und Fraktion verbunden bleibt.“

Desweiteren wiederholte er seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit: „Ich werde die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen und Gremien der Ratsversammlung suchen. Das gilt insbesondere für den Hauptausschuß ... und für seine Vorsitzende Frau Dickhoff.“ (B 90 /Die Grünen – die Red.).

Programmatisch erklärte Gansel, die „Führungsdefizite der Vergangenheit“ zusammen mit den städtischen MitarbeiterInnen und StadträtInnen „der Vergangenheit“ „überlassen“ zu wollen „und das Vertrauensverhältnis zur Bevölkerung“ wiederherzustellen.

Gleichzeitig verkündete „Nobbi“ auch Einschnitte bei städtischen Leistungen: „Dabei werden wir in einer Zeit wirtschaftlicher Umstrukturierung und finanzieller Engpässe unbequeme und auch umstrittene Entscheidungen treffen müssen“, gefolgt von dem Bekenntnis zur Marine, welche Gansel als „maritime Tradition“ verklärte.

Daran anknüpfend ließ es sich der unterlegene CDU-Fraktionsvorsitzende Arne Wulff nicht nehmen, Gansel die Hand bzw. die Faust „zur Durchsetzung von Entscheidungen“ zu reichen. Im Wahlkampf habe er eine „große Gemeinsamkeit“ zwischen Gansel und sich festgestellt. Vor allem lobte Wulff Gansels positiven Bezug zur Marine in Kiel, für deren Erhalt sich der neue OB im Wahlkampf intensiv eingesetzt habe. Deshalb – so Wulff – wolle die CDU-Fraktion als Amtseinführungsgeschenk Gansel zum „Oberleutnant“ befördern, denn: „Der Oberbürgermeister sollte mindestens Oberleutnant sein.“ (Gansel war von 1960 bis 1962 zuletzt als Wachoffizier auf einem Minensuchboot bei der Bundesmarine und trägt den Titel eines „Leutnant zur See d.R.“ – die Red.) Entsprechende Schulterklappen nahm der neue OB dankend entgegen.

Wolfgang Kottek, Fraktionsvorsitzender der SUK, sorgte wieder einmal für eine lustige Einlage. In seiner Gratulationsrede bekundete Kottek: „Wir werden uneingeschränkt hinter Norbert Gansel stehen“ und sinnierte: „Wir haben Hoffnung, wir haben Mut“. „Wie Gansel auf uns und die Kieler eingeht“, so Wolfgang Kottek, spreche dafür, daß die Kieler „vielleicht doch die richtige Wahl getroffen haben“.

Die grüne Fraktion bewies bei der Inthronisation Gansels viel Feingefühl, indem sie auf eine Gratulationsrede verzichtete. Angesichts der Lobeshymnen der anderen Fraktionen war dies wohl das einzig richtige Verhalten. Im Anschluß an den „Feierakt“ gab es für die „Kieler Bevölkerung“ Sekt und Organgensaft aus Anlaß des freudigen Ereignisses. (usch)