Safwan Eid freigesprochen

Der Prozeß gegen Safwan Eid vor dem Lübecker Landgericht endete am Montag letzter Woche wie erwartet mit einem Freispruch. Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, daß der junge Libanese am 18. Januar vergangenen Jahres den Brand in einem Flüchtlingsheim der Hansestadt gelegt hatte, bei dem zehn Menschen ums Leben gekommen waren. Vor allem fehlte es dem Vorsitzenden Richter Rolf Wilcken an einem Motiv. „Kann man sich vorstellen“, fragte er in seiner Urteilsbegründung, „daß ein junger Mann ein Haus anzündet, in dem Eltern und Geschwister schlafen und sich selbst ins Dachgeschoß flüchtet?“ Beweise dafür, daß Streit im Haus Auslöser der Tat gewesen sein könnte, sah Wilcken „nicht einmal im Ansatz“. Die Staatsanwaltschaft hatte versucht, mit peinlichen Zeugenbefragungen und den Verhören von Kindern ein solches Motiv zu konstruieren.

Auch in der Frage, wo das Feuer ausgebrochen ist, mochte das Gericht den Anklägern nicht vollständig folgen. Während die Staatsanwaltschaft bis zum Schluß davon ausging, das Feuer sei im ersten Stock gelegt worden, spricht die Kammer von „zwei primären Brandherden“. Der zweite sei im hölzernen Anbau zu suchen. Zwar seien dort nach Auffassung des Gerichts Fenster und Türen verschlossen gewesen, doch könne nicht mehr ermittelt werden, ob eventuell die Scheiben eingeschlagen worden waren. Schuld hieran ist die schlampige Spurensicherung. Die Ermittler hatten den Schutt aus dem Anbau einfach zusammengefegt, ohne ihn vorher ausreichend zu analysieren. Nebenklagevertreter Jan Mohr sieht hier denn auch einen Ansatz, weitere Ermittlungen zu fordern. Mit dieser Lesart sei es nach wie vor möglich, daß der Brand von Außenstehenden gelegt wurde.

Das Gericht stellte in seinem Urteil noch einmal klar, daß es sich um Brandstiftung gehandelt hat. Nur sei der Zeitpunkt nicht mehr feststellbar. Damit fällt auch endgültig das Alibi der vier zunächst verdächtigten Jugendlichen aus Grevesmühlen. Sie waren am Tag nach der Katastrophe festgenommen, aber schon bald wieder auf freien Fuß gesetzt worden, obwohl sie frische Sengspuren an den Haaren aufwiesen. Die Staatsanwaltschaft hatte sich statt dessen in ihren Ermittlungen ganz auf den jetzt freigesprochenen Libanesen Eid konzentriert. Das hatte ihr herbe Vorwürfe eingebracht. Das Lübecker Bündnis gegen Rassismus sprach von rassistischen Ermittlungen. Auf einer Pressekonferenz nach der Urteilsverkündung meinte Holger Wulf vom Bündnis, „Staatsanwalt Böckenhauer hat mit seinen Frage- und Ermittlungsmethoden gezeigt, wie berechtigt dieser Vorwurf ist“. Folgerichtig forderten die Lübecker Antirassisten vor dem Gerichtsgebäude mit einem großen Transparent die Amtsenthebung Böckenhauers.

Auch die Opfer nutzten die Urteilsverkündung, um sich zum wiederholten Male über die Behandlung durch die Anklagevertretung zu beschweren. Es sei versucht worden, aus den Opfern Täter zu machen. Während es um Mord ging, seien sie gefragt worden, ob sie das Sozialamt betrogen oder die Stadt unerlaubt verlassen haben. „Jede öffentliche Verleumdung muß zurückgenommen werden“, fordern sie in einer Presseerklärung. Außerdem verlangen sie, daß es endlich ein Bleiberecht für alle Überlebenden der Brandnacht in der Lübecker Hafenstraße gibt.

Dem schließt sich auch das antirassistische Bündnis an. 4000 Menschen hätten in Lübeck und bundesweit bisher mit ihrer Unterschrift erklärt, daß sie sich Abschiebungen mit Mitteln des zivilen Ungehorsams entgegenstellen werden. Die Landesregierung sei gefordert, so Wulf, das Bleiberecht zu Verfügen und es notfalls auf einen Konflikt mit „Bundesabschiebeminister“ Kanther ankommen zu lassen.

Staatsanwalt Böckenhauer hielt sich gegenüber der Presse die Möglichkeit einer Revision offen. Gabriele Heinecke, Verteidigerin Safwan Eids, sieht dem gelassen entgegen. So wie sich die Staatsanwaltschaft verhalten habe, müsse sie das Urteil einfach anfechten. (wop)