Glosse

Standortfragen

Gute und schlechte Nachrichten für Atomkraftgegner: Zuerst die gute: Die neue französische Regierungskoalition schaltet den Schnellen Brüter in Malville ab. Er war 1986 fertiggestellt worden und hatte immerhin ganze zehn Monate Strom geliefert. 20 Jahre und einen Toten hatte diese späte Einsicht gekostet. 1977 war Vital Michalon bei einer Demonstration gegen den Plutoniumerbrüter von Polizisten umgebracht worden.

Nun die schlechte: Die Bundesregierung ist fern von derartigen Einsichten. Sie plant mal wieder das Atomgesetz zu ändern, um besser mit den Widerständen in der Bevölkerung umgehen zu können. So soll ein Lex-Bernstorff geschaffen werden, damit dem widerspenstigen wendländischen Adligen die Salzrechte am Gorlebener Salzstock enteignet werden können. Außerdem möchte man für die neue Reaktorgeneration, den Europäischen Druckwasserreaktor EPR, ein standortunabhängiges Genehmigungsverfahren unter Ausschluß der Öffentlichkeit einführen.

Die ist ja, wie wir seit der Standort-Brandrede Herzogs - genau, das ist jener etwas dickliche ältere Herr, der meint, zur Kindererziehung gehört schon mal der Stock - wissen, sowieso zu technik- und damit innovationsfeindlich. Das findet der heimliche Kanzlerkandidat der Ersatz-CDU übrigens auch, weshalb er und seine „Experten“ in den Energiekonsens-Gesprächen den genannten Innovationen der Reaktorministerin bereits zugestimmt hatten. Nur war er mal wieder von seiner Partei zurückgepfiffen worden. Da aber unsere Politiker sowieso besser wissen, was für uns und vor allem den Standort Deutschland das richtige ist, sollen wir uns in Zukunft am besten um derlei Dinge keine Gedanken mehr machen.

Wir würden sowieso nicht verstehen, weshalb in Greifswald für einen Fusions-Forschungsreaktor drei Mio. DM pro geschaffenem Arbeitsplatz investiert werden, wenn doch die Kernfusion bloß Zukunftsmusik ist, die noch ihre 40-50 Jahre brauchen wird, bevor sie erklingt, und wenn ein Arbeitsplatz im Handwerk oder der mittelständischen Industrie vielleicht nur ein Zehntel kosten würde. (Der neue Reaktor des Max-Planck-Instituts wird übrigens in einem Wohngebiet gebaut, mitten in der Stadt - andere Länder, andere Sitten.) Dem Land Mecklenburg-Vorpommern wird der Betrieb pro Jahr etwa 30-40 Millionen Mark kosten, wie es in einer Erklärung einer Greifswalder Kirchengemeinde heißt. Dafür wird es 97 neue Arbeitsplätz geben. (wop)