Haushaltsloch im Sommerloch

Beim Prüfen der städtischen Kassen entdeckte Norbert Gansel, neuer OB und Kämmerer in einer Person, ein Defizit von rund 27 Mio. DM. Bisher war man von einem Haushaltsloch von 16 Mio. ausgegangen. In der Septembersitzung der Ratsversammlung will Gansel einen Nachtragshaushalt verabschieden lassen. Einsparmöglichkeiten zum Stopfen der Löcher sieht der „Sozial“demokrat vor allem bei den Sozial- und Personalausgaben.

Bei fünf Haushaltsposten haben sich Mindereinnahmen oder Mehrausgaben ergeben. Mehrausgaben bei der Sozialhilfe infolge der ansteigenden Arbeitslosigkeit gekoppelt mit Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer. Hier will Gansel die „Anspruchsvoraussetzungen“ für die Sozialhilfe „sorgfältig prüfen“ lassen, sprich einschränken. Durch den neuen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz sind ebenfalls erhöhte Ausgaben entstanden. Gansel hofft auf einen Rückgang des Bedarfs an KiTa-Plätzen und will derweil den Kopf in den Sand stecken, man müsse sich einstweilen mit „provisorischen Lösungen“ begnügen. Beim Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt ergebe sich ein Minus infolge der Überkapazität der MVA. Da Gansel die Müllgebühren nicht erhöhen will, muß die Stadt das Defizit tragen. Ferner habe es im Bereich der Personalkosten keine spürbaren Einsparungen gegeben. Hier schlagen besonders neue Stellen für Kindergärten und eine Vorruhestandsregelung zu Buche.

Gansel sieht gute Chancen dafür, den Rotstift bei den Sozialausgaben ansetzen zu können. Weder bei SPD, noch bei den Grünen sieht Gansel in dieser Sache „ideologische Schranken“. Auch die grüne Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff sieht solche offenbar nicht. Sie habe gegen eine „differenzierte Prüfung der freiwilligen sozialen Leistungen“ der Stadt und die Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen bei den gesetzlichen Sozialhilfeleistungen „nichts einzuwenden“. Als Gegenleistung verlangte sie lediglich, daß auch die Wirksamkeit städtischer Wirtschafts- und Beschäftigungsförderprogramme geprüft werde. Für die steigenden Ausgaben bei der Sozialhilfe sei der Arbeitsplatzrückgang verantwortlich, deshalb seien die Ausgaben nur durch Maßnahmen zu Erhalt und Ausbau von Beschäftigung in den Griff zu bekommen. Zum Defizit bei der MVA meinte Dickhoff, es genüge nicht, auf das sinkende Abfallaufkommen zu verweisen, sondern, „die Betriebsführung und Konstruktion“ des Abfallwirtschaftsbetriebs müsse „kritisch hinterfragt“ werden. Bei der Senkung der städtischen Personalkosten dürfe es keinen Arbeitsplatzabbau geben. Vielmehr müsse der Personalkörper reformiert werden, insbesondere durch Reduzierung der Führungsebene der Verwaltung und die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen. Zusammenfassen läßt sich Dickhoffs Erwiderung auf Gansels Sparpläne so: Die Grünen führen Gansels Rotstift mit, fast bedingungslos.

In Fragen des Prestiges freilich ist Gansel großzügiger. Es müsse gelingen „sparsam zu sein, ohne ärmlich zu wirken“, verkündete der Populist. Er wolle „die Visitenkarte der Stadt“ verbessern. So sollen z.B. die Rathausmauern von „Malereien“ befreit werden, die „vielen Kielern schon jahrelang ein Ärgernis waren“. Zur „Visitenkarte“ gehört für Gansel auch ein angestrahlter Rathausturm, was „keine riesigen Summen“ kosten dürfe. Den Anfang beim Prestigesparen macht Gansel mit seiner eigenen Visitenkarte. Auf der mußte das blaue Kiel-Logo dem schwarz-weiß-roten Stadtwappen weichen. Das paßt dann auch besser zur SPD und zur kaiserlichen Marinestadt: schwarz-weiß-rot, wie anno dazumal. (jm)