Kommentar:

Rechtsüberholer

Übrigens: Seit dem 1. Januar haben wir das „Europäische Jahr gegen Rassismus“. Noch nicht mitbekommen? Das mag daran liegen, daß deutsche Politiker dies vor allem mit Ausfällen und Schikanen gegen Immigranten und Flüchtlinge begehen. Den Anfang machte gleich im Januar Hau-drauf-Kanther (CDU), indem er per Eilverordnung einige Hunderttausend Kinder und Jugendliche zwang, sich für das Land ihrer Geburt eine Aufenthaltsgenehmigung zu besorgen. Wenig später dann läutete Hamburgs Voscherau (SPD) den dortigen Wahlkampf per Hetze gegen „kriminelle Ausländer“ ein. Stets das gleiche Muster: CDU und „Bild“ geben die rassistischen Themen vor, der Stammtisch jault auf, und die SPD beeilt sich, dem rechten Zeitgeist hinterherzulaufen.

Da möchte natürlich auch der niedersächsische Innovationsfreund und Konsensfachman nicht zurückstehen. Und um sicherzugehen, scherte er zum Überholen gleich auf die (rechte) Standspur aus. Anfang letzter Woche erscholl es aus dem Hause Schröder (SPD): „Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: raus und zwar schnell!“ Es stand – wo sonst – in „Bild“.

Ausgerechnet von konservativen Poltikern mußte er sich darauf belehren lassen, daß das aufgrund diverser internationaler Schutzabkommen nicht so einfach sei. Ansonsten solle er erst einmal bei sich selbst anfangen. Das aber muß sich ein SPD-Ministerpräsident wirklich nicht sagen lassen. Was die Abschiebestatistik angeht, brauchen sozialdemokratische Länder – ob mit oder ohne grünem Juniorpartner – den Vergleich mit Bayern nicht zu scheuen.

Die Menschen, um die es dabei geht, sind übrigens zum allergeringsten Teil jene „Rumänen-Banden“, mit denen willfährige Medien seit geraumer Zeit den Spießern wohliges Gruseln verschaffen, sondern solche, die seit vielen Jahren hier leben, Bestandteil dieser Gesellschaft sind. Der Begriff „Ausländer“ ist, daß wird hier besonders deutlich, ein Kampfbegriff, um soziale Probleme und Konflikte zu ethnisieren. Flüchtlinge werden in bitterste Armut gezwungen (Stichwort: Asylbewerberleistungsgesetz), Jugendlichen jede Zukunftsperspektive verbaut, Immigranten in miesbezahlte Jobs gedrängt, und wenn sie dann den naheliegenden Ausweg in der kriminellen Karriere suchen, dann heißt es „Ausländerkriminalität, Abschieben!“. Auf die Art hat man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Dem Spießer hat man wohlfeil einen Haßfeind geliefert und die Fragen nach den gesellschaftlichen Ursachen von Kriminalität umschifft. (wop)