Diesmal ohne Streik

Lohn- und Manteltarifabschluß im Einzelhandel S.-H.

Am 27.6. wurden im Einzelhandel S.-H. Lohn- und Manteltarifverträge abgeschlossen: Lohn- und Gehaltstarif plus 1,5% durchgängig für alle ab 1.8. Der alte Vertrag war Ende April ausgelaufen, also drei Monate ohne Lohnerhöhung! Laufzeit ist bis 31.4.98. – Die Forderung war: 99 DM für alle.

Das Ergebnis bedeutet z.B. nach der Ausbildung (B1, 3. Berufsjahr) plus 36 DM auf 2.460 DM brutto. Im Endgehalt ab 7. Berufsjahr plus 48 DM auf 3.280 DM brutto. Für „Erstverkäufer/innen” (B2) im ersten Berufsjahr plus 38 DM auf 2.584 DM brutto, ab dem 7. Bj. plus 53 DM auf 3.557 DM. Auszubildende erhalten im ersten Jahr keine Erhöhung also 1.015 DM, im 2. Und 3. Jahr plus 10 DM = 1.125 DM bzw. 1.285 DM. Gruppe A, ohne Ausbildung, hat im 1. Bj. ein Plus von 27 DM = 1.812 DM, im 4. Bj. plus 31 DM = 2.121 DM.

„Normalerweise” würden die meisten Betroffenen sagen, das ist viel zu wenig! Wahrscheinlich hätte die Tarifkommission unter üblichen Bedingungen auch nicht zugestimmt.

Was war „unnormal”?

Die Gehälter wurden im Zusammenhang mit dem Manteltarif verhandelt. Die Bundesregierung hatte einige Gesetze verschlechtert, die in die Tarifhoheit eingriffen, so die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gekürzt, Anrechnung von Urlaub bei Kuren zugelassen. Zusätzlich hatte es eine Liste von Forderungen nach Verschlechterung des Tarifvertrages vom Arbeitgeberverband gegeben. Und es gab in anderen Branchen bereits niedrige Abschlüsse.

So messen die meisten Menschen das Ergebnis an dem, was hätte kommen können, und akzeptieren das Ergebnis. (Wobei das „Nettoergebnis” ja erst Ende August sichtbar wird).

Im Manteltarif hat es einige „kleine” Veränderungen gegeben und ein paar „bedeutende”.

Positive Änderungen:

- Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird für 6 Wochen zu 100% gezahlt, einschließlich Prämien und Provisionen sowie Zuschlägen für die Abendöffnung und Überstundenvergütung (Durchschnitt der letzten 6 Monate). Ausgenommen sind Sonderzahlungen und Mehrarbeitszuschläge

- Ebenso gilt obiges bei medizinischen Vorsorge- und bei Reha-Maßnahmen. Diese dürfen auch nicht auf den Urlaub angerechnet werden.

- Freistellung von Beschäftigen, die in „vertragsschließenden Organisationen” (Einzelhandelsverband/Gewerkschaften) satzungsgemäß tätig sind, für bis zu 14 Tagen im Jahr. Freistellung der Tarifkommissionsmitglieder für die Verhandlungstermine (neu: unbegrenzt).

- Es muß in Zukunft ein schriftlicher Vertrag ausgehändigt werden.

- Neu: Die Probezeit wird auf maximal 6 Monate begrenzt. („In der Regel 3 Monate” bleibt bestehen.)

- Klarstellung der Regelung, daß ausnahmsweise bis zu 15 Minuten für Abschlußarbeiten angeordnet werden können: Hier wird ausdrücklich gesagt, daß andere als die genannten Arbeiten mit den tariflichen Zuschlägen vergütet werden müssen.

- Mehrarbeit soll „in der Regel” durch Freizeit vergütet werden, auf Wunsch bezahlt (war vorher umgekehrt).

- Neu: Arbeitszeugnis und Papiere sind bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne zu zögern auszuhändigen.

- Konkretisierung der Berechnung des Urlaubsanspruches: bei Einstellung vor dem 15. eines Monats zählt dieser als ganzer Monat.

- Urlaub muß bis zum 31.3. des Folgejahres „gewährt” und „genommen” werden (vorher: „geltend gemacht” werden).

- Entgegen den Zielen der Gesetzesänderung bleibt die Berechnung des Urlaubsgeldes bestehen. Es bemißt sich nach dem Arbeitsverdienst der letzten 12 Monate vorher (incl. Mehrarbeit, Provision usw.).

Negative Änderungen:

- Das Urlaubsgeld wird ab 1998 von 55% des Endgehaltes der Gruppe B1 auf 50% gekürzt (wie 1995). Das ist 1998: 1.640 DM.

- Die Extravereinbarungen zur Spätöffnung vom letzten Jahr wurden in den Manteltarif eingefügt.

- Veränderungen bei den Freistellungen für besondere Anlässe: Nicht mehr frei bei goldener Hochzeit der Schwiegereltern. Nur noch einen statt zwei Tagen bei Silberhochzeit, Hochzeit der Kinder, Tod und Begräbnis der Schwiegereltern, -kinder, und Großeltern. Für Umzug nur noch einmal im Jahr zwei Tage. Maximale Freistellung pro Jahr 4 statt vorher 5-6 Tage. Dafür neu: Ist der Urlaub verbraucht, kann in dringenden Fällen unbezahlter Urlaub genommen werden.

- Beim Kündigungsschutz tritt das verschlechterte Gesetz vom 25.9.96 in Kraft – bestehen bleibt aber: 2 Monate mehr Kündigungsschutz bei 20jähriger Betriebszugehörigkeit über dem 55. Lebensjahr.

- Neu: Bei eigener Kündigung wird eine Freistellung für Stellensuche nicht bezahlt.

Die Laufzeit des Manteltarifvertrages besteht bis Ende 1999. Wahrscheinlich haben die Einzelhandelsunternehmen ihre „Kompensationsforderungen” durchgesetzt: Lohnfortzahlung gegen niedrige Tarife, niedrigeres Urlaubsgeld, weniger Sonderurlaub. Aber einige soziale Leistungen wurden erhalten, was sowohl bei den aktiven Gewerkschaftsmitgliedern als auch bei den Kollegen als hochwertig angesehen wird. Ein anderer Grund, keine Urabstimmungen einzuleiten, war für die Tarifkommission, daß es in Bayern bereits einen „Pilotabschluß” gab. Allerdings beginnt jetzt schon die Diskussion, daß im nächsten Jahr der Reallohnverlust unbedingt gestoppt werden muß. (brg)