Schlechte Aussichten für den Klimaschutz

Verhandlungen um ein internationales Abkommen stecken in der Krise

Die Verhandlungen um ein neues internationales Klimaschutzabkommen schleppen sich dahin. Anfang August ging in Bonn ein weiteres Expertentreffen zuende, das einen Vertragsentwurf für die UN-Klimakonferenz im Dezember vorbereiten sollte. Das Ergebnis war bescheiden. Der Leiter des Treffens, der argentinische Diplomat Raul Estrada-Oyuela, mußte all sein diplomatisches Geschick aufbieten, um nicht von einem Mißerfolg zu sprechen: „Wenn wir heute Bonn verlassen, dann sind die verschiedenen Optionen klar und für alle verständlich formuliert.” Dafür hatte man immerhin zwei Jahre und acht internationale Treffen, jeweils mit Vertretern von rund 150 Staaten, gebraucht. Bis zur Konferenz im japanischen Kyoto sind es nur noch knapp vier Monate, und nach dem regulären UN-Procedere ist die Frist für den Vertragsentwurf bereits abgelaufen. Übelwollende Vertragsparteien könnten die Konferenz allein schon an dieser formalen Frage scheitern lassen.

Dabei werden die Klimaforscher nicht müde, die Politiker zum Handeln zu drängen. Bereits auf der Berliner Klimakonferenz 1995 mahnte der seinerzeitige Vorsitzende des UN-Wissenschaftlergremiums IPCC die Politiker dringend, sich auf eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen zu einigen. Die Industrieländer müssen langfristig, so der schwedische Meteorologe, ihren Ausstoß um 80% verringern.

Inzwischen hat außer ein paar, meist von Lobbyorganisationen der Erdöl- und Bergbauindustrie gesponsorten Wissenschaftlern in der internationalen Gemeinde der Meteorologen und Klimaforscher kaum noch jemand daran Zweifel, daß Maßnahmen dringend erforderlich sind. Die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und andere, so ergeben alle Computer-Simulationen, werden die unteren Schichten der Atmosphäre im nächsten Jahrhundert um 2,1 bis 4,6 Grad erwärmen, sollte sich ihre Konzentration verdoppeln, was ca. im Jahre 2040 der Fall sein wird, wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt.

Bei den Delegationen aus den Industrieländern scheint diese Erkenntnis jedoch wenig Eindruck zu machen. Offensichtlich ist man nicht einmal bereit, eine Obergrenze für die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre festzulegen. Von britischen Umweltschützern danach in Bonn gefragt, meinte Estrada-Oyuela, daß es nicht angebracht sei, Zahlen in einen bindenden Vertrag einzubauen, die im Lichte neuer Forschungsergebnisse sich als unrealistisch erweisen könnten.

Der Grund für das Zögern vieler Industriestaaten: Erhebliche wirtschaftliche Umstellungen wären nötig, denn das wichtigste Treibhausgas ist von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung: Kohlendioxid. Es entsteht bei der Verbrennung von Kohlenstoff und reichert sich in der Atmosphäre an, seitdem der Mensch im großen Maßstab die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl und Erdgas verbrennt.

Da ist es naheliegend, daß es vor allem diejenigen, die am Verkauf von Kohle und Öl verdienen oder die Verbrennunsmotoren herstellen (Automobilindustrie z.B.), sind, die sich gegen Klimaschutzmaßnahmen wehren. In den USA haben sie sich in einer mächtigen Lobbyorganisation zusammengeschlossen, der Global Climate Coalition. Diese hat erst im Juli im US-Senat eine Resolution durchgedrückt, die sich dagegen ausspricht, daß die USA Reduktions-Verpflichtungen akzeptiert, solange nicht auch die Entwicklungsländer ihren Treibhausgas-Ausstoß begrenzen.

Die verweisen jedoch darauf, daß der bisherige Anstieg des Kohlendioxids von rund 30% in den letzten 100 Jahren auf das Konto des Nordens geht. Selbst das sich rasant entwickelnde China hat noch nicht einmal seinen Anteil dessen ausgenutzt, was das Klimasystem an Treibhausgasen verkraften kann. Die in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen Staaten fordern daher, daß die Industriestaaten vorangehen müssen.

Die EU hatte rechtzeitig zur Bonner Tagung den Vorschlag eingebracht, daß die Industriestaaten ihre Emissionen von Kohlendioxid und einigen anderen Treibhausgasen bis 2005 um 7,5% und bis 2010 um 15% senken. Von der Vereinigung kleiner Inselstaaten gibt es schon seit drei Jahren einen Vorschlag, der 20% Reduktion bis 2005 fordert.

Aber da es nicht nur um Mengen und Fristen geht, sondern auch geklärt werden muß, wie das Ganze zu überprüfen ist, was bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen passiert, ob auch Klimaschutzinvestitionen in anderen Ländern angerechnet werden dürfen („gemeinsame Umsetzung”) usw., haben die Bremser unter den Vertragsstaaten bisher immer noch Wege gefunden, die Verhandlungen zu verzögern. In den zwei Jahren, seit dem in Berlin die Arbeitsgruppe eingesetzt wurde, die einen Vertragsentwurf vorbereiten soll, ist nichts weiter passiert, als die Vorschläge zu sichten und in einem gemeinsamen Text zusammenzufassen. Über die Mengen und Fristen wurde bisher noch nicht verhandelt!

Auch von Japan, das als Gastgeber der nächsten Klimakonferenz die Verhandlungen eigentlich vorantreiben müßte, ist bisher wenig Initiative zu sehen. Wie Washington vermeidet auch Tokyo, konkrete Zahlen und Fristen zu nennen. Im Land der aufgehenden Sonne können sich Umwelt- und Wirtschaftsminister nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen, berichtet Mie Asaoka vom Kiko-Forum, einem Zusammenschluß von 150 japanischen Umweltorganisationen. Den deutschen Beobachter erinnert das an die Situation vor der Berliner Klimakonferenz 1995. In Bonn konnte sich seinerzeit Umweltminister Töpfer nicht gegen seine Kollegen aus dem Wirtschafts- und Verkehrsresort durchsetzen und wurde daher rechtzeitig vor der Konferenz durch Angela Merkel ersetzt. Auch Deutschland ging seinerzeit als Gastgeber ohne Vorschlag in die Konferenz.

In Japan sind indes die Treibhausgas-Emissionen von 1990 bis 1995 um 8,3% gestiegen. Geht es nach den bereits gültigen Verträgen, müssen sie aber im Jahre 2000 auf das 1990er Niveau zurückgefahren sein. Auch in Deutschland steigen trotz der vollmundigen Versprechen der Bundesregierung die Emissionen wieder. Tatsächlich ist bisher nichts unternommen wurden. Alles, was es an Rückgang hierzulande bisher gegeben hatte, ging auf die Deindustrialisierung in Ostdeutschland zurück. Schlechte Aussichten also für die Kyotoer Konferenz, wenn selbst die Gastgeber so wenig Engagement zeigen. (wop)