Kommentar:

Deutsche Zustände

Deutschland 1997. Ein Taxifahrer fährt drei Fahrgäste aus dem ostsächsischen Zittau zum Bahnhof des 40 Kilometer entfernten Bautzen. Dafür muß er jetzt ein Jahr und vier Monate hinter Gitter. Ohne Bewährung. Ein Gericht erkannte auf Einschleusen von Ausländern. Es ging wohlgemerkt um eine Fahrt innerhalb des Bundesgebietes. Der Angeklagte habe wissen müssen, daß „dieser Personenkreis” – „Ausländer” eben – für gewöhnlich nicht über ein entsprechendes Einkommen verfüge. Dem Einwand des Taxifahrers, er habe schließlich nicht wissen können, daß es sich um „Illegale” handele, mag das Gericht nicht folgen. „Für den Angeklagten hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, durch einen Anruf beim Bundesgrenzschutz die Personen überprüfen zu lassen.” „Ausländer” – so lernt der Leser – sind sowieso verdächtig.

Die Kollegen der Taxifahrer sind nun etwas verunsichert. Erstens können sie sich nicht vom jeden Fahrgast die Papiere zeigen lassen, und zweitens gibt es hierzulande immer noch Gesetze (in diesem Falle das Personenbeförderungsgesetz), die ihnen Diskriminierung verbieten. Zittauer Taxiunternehmer wollen daher jetzt vom Landratsamt ein Bestätigung haben, „daß Ausländer generell abgelehnt werden können”.

Die gibt es natürlich nicht. Aber der Landrat verspricht Nachsicht, wenn ein „rechtmäßger Gast” Anzeige erstattet, weil er stehen gelassen wurde. „Im Falle einer Ordnungswidrigkeitsanzeige”, zitiert die „Frankfurter Rundschau” das Landratsamt, „wird die Situation entsprechend eingeordnet und entlastend betrachtet werden.” D.h. im Landkreis Zittau müssen Taxifahrer auch weiter mit Gefängnisstrafe rechnen, wenn sie sich an die Gesetze halten. Brechen dürfen sie sie zwar auch nicht offiziell, sollten sie aber in Zukunft „Ausländer” diskriminieren – und sei es, um einer Haftstrafe zu entgehen – werden die Behörden schon dafür sorgen, daß die Anzeigen der Betroffenen im Sande verlaufen.

So. Und wer sich jetzt über diese deutschen Zustände empören will, der muß auch gleich dazu sagen, daß dies, wie die Dutzenden, die jährlich in Oder oder Mittelmeer ertrinken, die in den Abschiebeknästen Selbstmord begehen oder bei der Abschiebung von Bundesgrenzschützern erwürgt werden, die logischen Konsequenzen einer Politik sind, die meint: „Wir (!) können ja nicht jeden reinlassen”. (wop)