Sparen beim Sozialen?

Sozialhilfedebatte im Rat

In einer seiner ersten Äußerungen als Oberbürgermeister hat Norbert Gansel angeregt, bei den freiwilligen Leistungen der Stadt Kiel im Rahmen der Sozialhilfe zu sparen. (LinX berichtete). Laut einer Presseerklärung können sich auch die Bündnis-Grünen Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen vorstellen.

Die Fraktion der CDU ließ sich nicht lumpen und stellte einen Antrag zur Ratsversammlung am 21.8. Darin sollte der OB aufgefordert werden, „der Ratsversammlung parallel zum Haushalt 1998 ein Konzept vorzulegen, wie im Haushalt 1998 die Jahreskosten für Sozialhilfe vermindert und die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse gefördert werden kann.“ Weiter heißt es im Antrag, der letztlich mit den Stimmen von SPD und Bündnis-Grünen in den Sozialausschuß verwiesen wurde: „Das Konzept soll sich insbesondere an den Grundsätzen und Ideen des sog. Lübecker Modells als auch auf die Tätigkeit der Vermittlungsagentur NEULAND des Kreises Plön orientieren.“

Fraktionsvorsitzender Wulff apellierte an die anderen Fraktionen, „parteiübergreifende bzw. fraktionsübergreifende Einigkeit“ bei den Sparbemühungen zu demonstrieren. Der Stadt Lübeck sei es mit Hilfe ihres Modells gelungen, ca. 11 Mio. DM jährlich zu sparen. Dem Kreis Plön sei es durch die kreiseigene NEULAND GmbH gelungen, 57% der SozialhilfeempfängerInnen, die das Projekt durchlaufen haben, in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. In diesem Zusammenhang kritisierte Wulff die KIBA, bei der die Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht oberste Priorität genieße. Spätestens parallel zum Haushaltsenwurf (Nov. 97) solle der OB ein Konzept zur Senkung der Sozialhilfekosten vorlegen.

Ratsherr Schreiber (Bündnis-Grüne) kritisierte in seiner Rede die Kürzungspläne der CDU, um die es „in erster Linie“ nicht gehen könne. Es müsse vielmehr konzeptionell an dieses sensible Thema herangegangen werden. In diesem Kontext verwies er auf die noch nicht beantwortete große Anfrage „Situation auf dem Kieler Arbeitsmarkt“ von SPD und Grünen. In einem „Ergänzungsantrag“ zum CDU-Antrag forderten die Grünen entsprechend, vor allem „Eckdaten“ vorzulegen, welche dem strukturellen Wandel auf dem Kieler Arbeitsmarkt nachspüren und auf deren Grundlage „den finanziellen Auswirkungen konzeptionell sinnvoll“ begegnet werden könne. Der positiven Darstellung des Lübecker Modells in den Medien mochte Schreiber nicht ganz folgen, ein Prüfauftrag der Landesregierung zu den Auswirkungen des Lübecker Modells sei abzuwarten.

Auch Sozialdezernentin Bommelmann kritisierte die „Legendenbildung“ bei der Interpretation „des Erfolges des Lübecker Modells“. Arbeitslosigkeit könne als strukturelles Problem nur durch eine strukturelle Herangehensweise bekämpft werden. Dabei gebe es keinen Königsweg.

Selbst Norbert Gansel, der mit seinen Äußerungen die Debatte losgetreten hatte, zeigte sich nachdenklicher und moderat: „Wir dürfen es uns nicht zu einfach machen“, mahnte er in Richtung CDU-Fraktion. Das Problem sei viel zu vielschichtig. Erstens existiere das Problem der Massenarbeitslosigkeit. Zweitens gebe es bei der Sozialhilfe auch eine finanzielle Krise. Drittens gebe es eine Akzeptanzkrise der Sozialhilfe. Überall werde „über wirkliche oder – noch mehr – vermeintliche Mißbräuche der Sozialhilfe geredet.“ Es gebe viertens sehr viel zu tun. Die „schreckliche Zahl von 1.100 Jugendlichen“, die von der Schule direkt in der Sozialhilfe landen, zwinge dazu, in erster Linie Arbeit anzubieten. Dies sei die Aufgabe, „die vor uns steht“. Insofern könne dieses Thema auch nicht dazu benutzt werden, finanzielle Mittel im Haushalt einzusparen, wie es die CDU suggeriere.

Gleichwohl knüpfte Gansel auch an seine Forderung nach einer Verringerung der sog. „freiwilligen Leistungen“ an. Zwar müsse „dem Stammtisch widersprochen werden“, doch, so der OB: „Die Akzeptanzkrise zwingt uns, alles zu durchforsten, wo Mißbrauch betrieben wird“. (usch)