Streik der Liverpooler Docker dauert an

Seit mittlerweile 22 Monaten, also fast zwei Jahre, streiken die Liverpooler Docker gegen die Einführung von Tagelöhnerarbeit. Bis zu diesem Streik war der Hafen von Liverpool der letzte englische Hafen, in dem es noch feste, abgesicherte Arbeitsplätze gab. Nachdem die Docker ihre Kampagne zur Wiedereinstellung aller 500 Kollegen, die wegen eines provozierten Konflikts rausgeschmissen worden waren, begannen, merkten sie bald, daß es nicht ausreichte, ausschließlich auf die Solidarität der englischen Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften zu bauen. Darum versuchten die Docker bald, international zu mobilisieren. Diese Strategie zeigte Wirkung.

Ein mehrwöchiger Streik trieb eine australische Schiffahrtslinie in den Bankrott, die sich absolut nicht davon abbringen lassen wollte, Liverpool anzulaufen. Durch regelmäßige „Arbeit nach Vorschrift“ im Hafen von Göteborg und Streiks in US-amerikanischen Häfen gelang es, das Einlaufen der Linie ACL in den Liverpooler Hafen für vier Wochen zu verhindern. Die Docker der US-Westküste bildeten im Hafen von Vancouver eine Streikpostenkette. Die Kollegen dort verstanden diese Aufforderung. Auch in Italien, Griechenland, Spanien, Portugal, Dänemark und anderen Ländern gab es unterschiedliche Unterstützungsaktionen, von Streiks unterschiedlicher Länge über langsames Arbeiten bis hin zu Spendensammlungen.

Die Bedeutung des Streiks

Der Streik der Liverpooler macht die Begrenzungen und Bedingungen sozialer Kämpfe in dieser Zeit deutlich. Die Verringerung der Transportkosten ist erklärtes Ziel der Kapitalisten. Sinkende Rohstoffpreise, die zunehmende Standardisierung und Mechanisierung des Transports und Lohnsenkungen sind dafür ihre Mittel. Der Takt der Produktion und geringere Lagerhaltung in den Betrieben bestimmen die zunehmend engen zeitlichen Vorgaben für den Transport und die Anlieferung der Produktionsteile.

Mit diesen Maßnahmen sollen aber in erster Linie die Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und die Auflösung kollektiver Vertragsverhältnisse durchgesetzt werden.

Neben dem Widerstand gegen verschärfte Arbeitshetze und miese Arbeits- und Sicherheitsbedingungen geht es für die Streikenden darum, Erwerbsmöglichkeiten im Rahmen kapitalistischer Lohnarbeit auf längere Zeit zu sichern. Deswegen sprechen die Docker davon, daß sie die Jobs von ihren Vätern „geerbt“ hätten und sie auch an ihre Söhne „weitergeben“ wollten.

Wo liegt eigentlich Liverpool?

Weltweit sind die Arbeits- und Einkommensbedingungen in den Häfen verschärften Angriffen ausgesetzt, sei es in Santos (Brasilien), Montreal oder in BRD-Häfen. Der Rostocker Hafen ist bereits privatisiert, und auch im Hamburger Hafen müssen die Kollegen für die Einhaltung der Tarifbedingungen verschärft kämpfen. Den Beschäftigten und Teilen der gewerkschaftlich Organisierten ist diese Entwicklung klar. Ein ÖTV-Beschluß gibt jenen Kollegen Rückendeckung, die in den Häfen Unterstützungsaktionen durchführen wollen, um Druck auf die Mersey Docks und Harbour Company (MDHC), die Hafenbetriebsgesellschaft, und die Liverpool anlaufenden Schiffahrtslinien auszuüben.

Die aktuelle Situation

Lange Zeit hat sich nichts wesentliches in der Auseinandersetzung geändert. Den Dockern war und ist ihre Selbstachtung mehr wert als die paar lausigen, prekären Jobs und die unzureichende Abfindung, die ihnen die Bosse hinwerfen. Im Juli diesen Jahres allerdings setzten die Delegierten des Gewerkschaftstages der Transport & General Workers Union gegen den Willen der Führung einen Beschluß zugunsten der Docker durch. Die Gewerkschaft soll versuchen, mit New Labour zu reden, damit die britische Regierung ihre 13%ige Beteiligung an der MDHC dazu nutzt, Druck auf die Geschäftsführung zur Beilegung des Konfliktes auszuüben. Weiterhin wird versucht, Einfluß auf die International Transport Workers Federation (internationaler Zusammenschluß von Hafenarbeiter- und Seeleutegewerkschaften) auszuüben, damit diese den internationalen Aktionstag, der am 8. September stattfinden wird, unterstützt (Der Text erreichte uns leider erst nach dem 8. Septemeber – die Red.). Eine Hafenarbeiterkonferenz beschloß im Mai in Montreal einen zweistufigen Aktionsplan. Dabei soll es zuerst eine 24-stündige Arbeitsniederlegung (8.9.) geben, der dann gezielte Blockaden einzelner Schiffahrtslinien, die Liverpool anlaufen, folgen sollen. Für die Kollegen und ihre Familien in Liverpool wird es entscheidend darauf ankommen, diesen Aktionstag, nach fast zwei Jahren Streik, zu unterstützen. Daher erwarten sie vor allem von den Kollegen in den Häfen konkrete Aktionen. Während eines Aktionstages am 20.1.97 zeigten Bremerhavener Kollegen ihre Solidarität mit den Dockern. (In den deutschen Häfen hat es am 8., so weit von der ÖTV zu erfahren war, keine Aktionen gegeben. Es war sogar schwierig, einen Gewerkschaftsfunktionär zu finden, der überhaupt von dem Aktionstag gehört hatte – die Red.)

Aber auch über den Hafen hinaus hat die Unterstützung des Streiks Bedeutung. Die Privatindustrie ist der Deregulierung, der Entgarantierung tariflicher Rahmenbedingungen und anderen Angriffen ausgesetzt. Im Dienstleistungsbereich existieren Arbeitsbedingungen ohne jegliche soziale und rechtliche Absicherung, und im Öffentlichen Dienst stellen die Dienstherren geradezu abenteuerliche Überlegungen an, wie mehr Leistung aus AngestelltInnen und BeamtInnen herauszupressen sei. Damit die Liverpooler Hafenarbeiter ihren Kampf durchhalten und erfolgreich weiterführen können, brauchen sie auch weiterhin finanzielle Unterstützung.

Einzelspenden, aber auch regelmäßige monatliche Überweisungen können eingezahlt werden auf: Spendenkonto der IG Medien, Ortsverein Hamburg, BfG, BLZ 200 101 11, Kto. 1290023100, Stichwort: Flying Picket. Kontakt und weitere Infos bei der IG Medien: 040/2858–513. (Gruppe Blauer Montag, Hamburg)