Türkei/Kurdistan:

Friedenszug von Panzern gestoppt

Mit brutaler Gewalt lösten Sondereinheiten der türkischen Polizei am 3.9. im Istanbuler Nobelhotel MIM eine Pressekonferenz des Friedenszuges nach Dijarbakir auf. Polizisten prügelten auf die Delegierten der Friedensgruppen mit Gummiknüppeln ein, rissen Menschen an den Haaren und schlugen in Gesichter, wie Teilnehmer aus Kiel und Umgebung am Montag auf einer Veranstaltung in der Pumpe berichteten. Zwei Frauen seien dabei so schwer verletzt worden, daß sie unter Polizeiaufsicht in ein Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Eine von ihnen erlitt nach Mißhandlungen in einem Gefangenentransporter eine Halswirbelfraktur. 18 FriedensaktivistInnen wurden verhaftet, darunter 11 Deutsche. Einen Tag später hat man sie dem Haftrichter vorgeführt, verurteilt und abgeschoben.

Auch mehrere Angehörige von europäischen Konsulaten wurden in die Auseinandersetzungen verwickelt. Die Friedenszugteilnehmer – „Friedensterroristen“, wie sie die die regierungstreue türkische Presse nannte – hatten ihre Konsulate benachrichtigt, als die türkische Polizei begann, das Hotel zu stürmen. Ein Vertreter des britischen Konsuls wurde von Polizisten angegriffen, ein italienischer Diplomat sogar verhaftet. Großbritannien hat inzwischen offiziell gegen diesen Vorfall protestiert. Im Bonner Auswärtigen Amt weiß man hingegen nichts davon, daß deutsche Beamte unmittelbare Augenzeugen gewesen seien. Man habe aber bei der türkischen Regierung gegen das „vollkommen unverhältnismäßige Vorgehen“ protestiert und eine Untersuchung „angeregt“.

Der Vorfall im MIM war der traurige Höhepunkt einer Kette von Schikanen, Einschüchterung und Androhung von Waffengewalt gegen den Friedenszug Musa Anter, der u.a. von Medico International organisiert worden war. Der Friedenszug sollte für eine friedliche, politische Lösung in Kurdistan eintreten und auf einem großen Friedensfestival in Diyarbakir gegen den Kriegszustand protestieren. Auf der Hinreise hatten seine Teilnehmer, darunter auch ein südafrikanischer Parlamentarier, in Istanbul Gespräche mit dem Menschenrechtsverein IHD geführt und an einer Kundgebung der Samstagsmütter teilgenommen.

Kurz vor Diyarbakir wurde die Friedensfahrt jedoch durch Panzer gestoppt und zur Umkehr gezwungen. In der kurdischen Stadt sollen ca. 2000 Menschen im Vorfeld des Friedensmarsches verhaftet worden sein. Auch die türkischen und kurdischen Teilnehmer wurden, kurz bevor die Busse der Delegationen auf der erzwungenen Rückfahrt Istanbul wieder erreichten, festgenommen. An einer Straßensperre vor der Millionenstadt suchten Polizisten die Aktivisten anhand von Listen aus den Bussen heraus und mißhandelten sie vor den Augen der europäischen Delegierten. (wop)

Der GEGENWIND bringt in seiner Oktober-Ausgabe, die in ca. zwei Wochen erscheint, einen ausführlichen Bericht von Kieler Teilnehmern.