Glosse:

Marinehafen in Not

Das Geld der öffentlichen Kassen ist zwar knapp, für die wichtigen Dinge im Leben wie Kernenergieforschung, Jäger 90 und ähnliches reicht es aber immer noch. Auch die Marine – des OBs liebstes Kind – muß nicht darben. Bereits im Sommer ’96 gab Bonn grünes Licht für den Bau von drei neuen Fregatten. Geplanter Preis: Eine Milliarde DM pro Stück. Auch für den ersten „Einsatzgruppenversorger“ – ein für die Bundesmarine neuer Schiffstyp, der Kriegsgerät für Landungstruppen in alle Welt wird bringen können – scheint die Finazierung inzwischen zu stehen.

Doch groß ist das Wehklagen im Kieler Rathaus, denn wiedereinmal droht die Landeshauptstadt stiefmütterlich behandelt zu werden. Das Mordwerkzeug, mit dem die Kieler Bevölkerung – vor allem natürlich die Baubranche – in diesem Jahhundert schon so viele gute Erfahrung gemacht hat, könnte eventuell andernorts stationiert werden.

Klar, daß in Zeiten solchen Ungemachs die Parteien zusammenstehen und von Bonn die Fregatten fordern müssen. „Wir wollen den Soldaten zeigen, daß Kiel ihre Heimat ist.“ (Lindner, SPD). Selbst die stets sparsamen Stadtunionisten kratzen die letzten Reste germanistischer und geografischer Bildung zusammen und formulieren: „Kiel ist der einzige Tiefwasserhafen Deutschlands in der Ostsee.“

Nur einer muß mal wieder aus der Reihe tanzen: Lutz Oschmann von den Grünen. In offensichtlich demagogischer Absicht fragt er, wieviele Arbeitsplätze man von den drei Millliarden (oder 3,75 Milliarden, wie er rechnet – wir wollen auch nicht ausschließen, daß es am Ende noch mehr werden wird) hätte schaffen können. Argumente, die die christsozialdemokratischunionistischen Marinefans gänzlich kalt lassen. Also versucht Oschmann es militärtaktisch: In der Ostsee gebe es gar keine Bedrohung mehr, und überhaupt würden die neuen Fregatten mit dem Aufbau von Krisenreaktionsstreitkräften begründet, und die hielten die Grünen nicht für „sinnvoll“.

Doch da hat der Zivilist nicht mit dem Marineoffizier a.D. gerechnet, der jüngst seinen Sitz im Bonner Wasserwerk mit einem Sessel am Kleinen Kiel tauschte, weil er im hiesigen Stadtparlament mehr Redezeit abonnieren kann: Es gehe gar nicht um die Antwort auf eine Bedrohung, sondern um den Schutz der baltischen Staaten. Die würden sich nämlich unsicher fühlen und da wäre es hilfreich, die Fregatten in Kiel zu haben, bescheidet Gansel Oschmann. Neue Kriegsschiffe also, um den Iwan in Schach zu halten. – Haben wir schließlich Erfahrung drin.

Und damit die Zivilisten nicht auf dumme (Arbeitsplatz-) Gedanken kommen, möchte der OB die Planung für den Hafen so offen halten, daß die Fregatten noch jederzeit einen Platz finden, sollte die Bundesregierung ihre Meinung ändern. Vielleicht hat man ja in Bonn doch noch ein Einsehen und begreift, daß das Mare Balticum, der „deutsche Raum“ (Simonis), eines militärischen Schutzes bedarf. (wop)