IG Medien fordert:

SPD muß sagen, was sie von Kohls Politik rückgängig machen will

Als ein „Papier der Unverbindlichkeiten und Defizite“ wird bei der IG Medien der Leitantrag des SPD-Parteivorstandes bewertet. „Der Text weicht wichtigen aktuellen Fragen aus und entspricht insofern sicherlich dem, was heute vielfach unter ’modern’ verstanden wird“, erklärte der Pressesprecher der Gewerkschaft, Hermann Zoller. „Angekündigt wird ein ’Aufbruch nach vorne‘. Der kann aber nur gelingen, wenn man weiß, wo man heute steht, sonst kann es passieren, daß man in die falsche Richtung geht.“

Versprochen werde in dem Antrag ein „Politikwechsel“. Der Text des Antrags biete aber nur wenig Begründung für einen solchen Schritt. „Es fehlt trotz eines Umfangs von 24 Seiten selbst die Skizze einer Analyse der gegenwärtigen Lage. Zumindest hätte eine Bilanz der Politik des Kabinetts Kohl dargestellt werden müssen“, kritisiert Hermann Zoller. Ihr Fehlen lasse die Befürchtung aufkeimen, daß eine Annäherung an diese Politik nicht ausgeschlossen werden soll. Es mache sehr nachdenklich, daß die SPD wichtigen Fragen der gesellschaftspolitischen Entwicklung ausweiche. So werde an keiner Stelle nach den Ursachen der Arbeitslosigkeit gefragt. Auch die Entwicklung der Gewinne und Vermögen im Verhältnis zu den Einkommen der Arbeitnehmer werde nicht thematisiert. Die Tatsache, daß trotz erheblicher Entlastungen, die die Bundesregierung den Unternehmen habe zukommen lassen, diese aber trotzdem Millionen von Menschen arbeitslos gemacht hätten, werde nicht gewürdigt. „Wer entscheidende Faktoren der Entwicklung nicht aufarbeitet, der kann auch mit Innovationen nicht einen wirklichen ’Politikwechsel‘ bewirken.“ Hier liege wahrscheinlich auch der Grund dafür, daß die SPD nicht benenne, welche Gesetze der Kohl-Regierung sie rückgängig machen wolle, beispielsweise die vielfältigen Verschlechterungen des Arbeitsförderungsgesetzes, die Beschneidung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Aufweichung des Kündigungsschutzes. „Hier steht die SPD aber in der Pflicht. Das wollen die Arbeitnehmer von ihr wissen“, fordert der Sprecher der IG Medien.

„Wir haben die Befürchtung, daß gerade jetzt, da das Versagen des Kohl-Kabinetts für immer mehr Menschen sichtbar wird, die SPD sich eine Fahrkarte für einen Zug kaufen will, der in dieselbe Sackgasse fährt.“ Wenn sich diese Befürchtung bestätigen sollte, dann falle die SPD hinter den Stand der Diskussionen zurück, der beispielsweise in den Kirchen schon erreicht sei. „Erschreckend klein geschrieben ist in dem SPD-Papier die Verkürzung der Arbeitszeit. Hier wünschen wir uns mehr Mut, weil dies nicht das einzige, aber eines der wichtigsten Instrumente ist, mit dem Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann“, kritisiert Hermann Zoller. Die im Gegensatz dazu umfangreicheren Vorschläge für die Tarifpolitik seien ein „Gemisch aus unternehmerfreundlichen Formulierungen“ und Forderungen, die die Gewerkschaften schon seit Jahren den Unternehmern erfolglos präsentierten. „Die Tarifpolitik der Gewerkschaften ist flexibler, als das von vielen gesehen wird. Aber keine noch so weitgehende ’Modernisierung‘ der Tarifverträge wird an dem Hauptproblem Arbeitslosigkeit etwas ändern, wenn nicht eine grundlegend andere Politik gemacht wird.“ (hg, nach Presseinformation der IG Medien)