Der Flop – Das Gesetz zur Altersteilzeit

In 10 Jahren wird jeder dritte Arbeitnehmer älter als 50 Jahre sein. Die Altersteilzeit soll deshalb den älteren KollegInnen den Ausstieg sozialverträglich ermöglichen und den jüngeren KollegInnen mehr Beschäftigungschancen eröffnen. Der Anteil der 30jährigen Beschäftigten wird in den nächsten Jahren auf 20% sinken. Zugleich steigt der Anteil der 30- bis 50jährigen auf über 50% bis ins Jahr 2010. Die über 50jährigen werden dann mehr als 30% der Beschäftigten ausmachen. Ohne ein tarifpolitisches Instrument kann diese Entwicklung nicht gesteuert werden. Ein weiterer Grund, der die Gewerkschaften zum Handeln zwingt, ist der Sozialabbau der Bundesregierung:

- Die Kohl-Regierung schafft die Frühverrentung ab.

- Die Vorruhestandsregelungen werden abgeschafft.

- Die Anhebung der Altersgrenzen auf 65 bei gleichzeitigen Rentenabschlägen von 18% bei Rentenbeginn mit 60 Jahren.

- Die „Reform“ der Arbeitsförderung – Abfindungen werden angerechnet: Das verbaut bisherige Abfindungslösungen. Wer bisher mit 55 oder älter seinen Arbeitsplatz verlor, konnte in der Regel mit einer Abfindung rechnen, die in vielen Fällen mit der „Stütze“ zusammen die Zeit bis zur Rente überbrücken half. Jetzt werden die Abfindungen mit Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe verrechnet. Nur noch 45% davon kommen vom Arbeitsamt; die anderen 55% soll der Arbeitslose aus der Abfindung selbst bezahlen – so lange, bis sie aufgebraucht ist. Dann erst gibt’s den vollen Satz vom Arbeitsamt. Und wer arbeitslos ist, spürt das auch bei der Rente: Die gekürzte Arbeitslosenhilfe bringt eine Kürzung der Beitragszahlung zur Rentenversicherung mit sich.

- Die geplante Absenkung des höchsten Rentenniveaus bei 45 Versicherungsjahren von 70 auf nur noch 64%. Preisfrage: Wer kommt heutzutage noch auf 45 Versicherungsjahre?

- Gekürzte Anrechnung von Ausbildungszeiten auf die Rente.

Die gesetzliche Regelung

Die wichtigsten Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes vom Juli 1996, Stand 1. April 1997:

Durch Altersteilzeitarbeit soll Beschäftigten ab Vollendung des 55. Lebensjahres ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. Die Bundesanstalt für Arbeit fördert Altersteilzeitbeschäftigung durch Zuschüsse, wenn

- erstens die Arbeitszeit auf die Hälfte der tarifvertraglichen Arbeitszeit verringert wird,

- zweitens die Arbeitgeber eine Aufzahlung von mindestens 20% des Teilzeitentgelts vornehmen, wobei die Untergrenze 70% des vorherigen Vollzeitarbeitsentgelts (Mindestnettobetrag) ist,

- drittens eine Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen auf Basis von mindestens 90% des Vollzeitentgelts durch den Arbeitgeber erfolgt,

- viertens der frei gewordene Arbeitsplatz durch einen Ausgebildeten oder Arbeitslosen wieder besetzt wird.

Die Zuschüsse werden höchstens für 5 Jahre gewährt. Wer vor dem 65. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben ausscheidet, muß pro Jahr einen Rentenabschlag von 3,6% in Kauf nehmen.

Das Gesetz reicht nicht aus, da die Einbußen bei Einkommen und späterer Rente viel zu hoch sind: nur 70% vom letzten Nettoverdienst. Die Rentenbeiträge sollen nur in Höhe von 90% bezahlt werden. Hohe Rentenabschläge (0,3% pro Monat) für diejenigen, die vorzeitig in Rente gehen. Wer mit 60 in Rente geht, verliert 18%. Die Wiederbesetzungspflicht ist unzureichend geregelt. Die Dauer der Zuzahlung durch die Bundesanstalt für Arbeit mit 5 Jahren ist zu kurz. Bundesweit haben bisher nur rund 3.000 ArbeitnehmerInnen diese Altersteilzeit in Anspruch genommen – und das bezogen auf alle Beschäftigten!

Im Streit um die Altersteilzeit im Bereich Nordwürttemberg-Nordbaden kam es jetzt zu einer Einigung mit der IGM. Die wichtigsten Punkte für die tarifliche Altersteilzeit in Kürze:

Die Altersteilzeit kann grundsätzlich durch freiwillige Betriebsvereinbarung ab dem 55. Lebensjahr eingeführt werden. Bei Einführung per Betriebsvereinbarung gelten die folgenden Bedingungen: Bezahlt werden 82% vom Vollzeitnetto. Die Beiträge zur Rentenversicherung werden auf 95% vom Vollzeitbrutto aufgestockt. In der Arbeitsphase wird die Hälfte von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausbezahlt. In der Freistellungsphase entfallen diese Zahlungen. Die Altersteilzeitentgelte nehmen an den Tariferhöhungen teil; in der Freistellungsphase zu 60%. Bei früherem Rentenbeginn ab vollendetem 60. Lebensjahr gibt es eine Abfindung für den Rentenabschlag in Höhe von drei Monatseinkommen. Bei späterem Rentenbeginn wird diese Abfindung proportional verringert. Die Guthaben der Beschäftigten aus der Arbeitsphase müssen bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem aktuellen Stand des Tarifentgelts ausbezahlt werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diese Guthaben gegen Konkurs zu sichern. Das muß er dem Betriebsrat nachweisen.

Rechtsanspruch bei Nichteinigung

Einigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber nicht auf die Einführung der Altersteilzeit durch Betriebsvereinbarung, erhalten die Beschäftigten ab vollendetem 61. Lebensjahr automatisch einen Rechtsanspruch nach folgender Maßgabe: Die Altersteilzeit beginnt mit Vollendung des 61. Lebensjahres. Der Beschäftigte geht mit Vollendung des 63. Lebensjahres in die Freistellungsphase. Der Beschäftigte muß zur Finanzierung des tariflichen Altersteilzeitmodells einen Eigenbetrag in Höhe von 2,5 Brutto-Monatsverdiensten einbringen. Will der Beschäftigte keinen Eigenbeitrag von 2,5 Bruttomonatsverdiensten einbringen, hat er nur den Anspruch auf die gesetzlichen Bedingungen der Altersteilzeit. Durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung sind abweichende betriebliche Regelungen möglich, indem sie in anderer Form die tariflichen Anforderungen erfüllen. Diese Regelungen müssen allerdings den Mindestwerten im Tarifvertrag entsprechen. Alle Regelungen zur Altersteilzeit werden in den Manteltarifvertrag aufgenommen. Sie gelten ab 1. November 1997. Eine Maßregelungsklausel wurde vereinbart: Niemand darf für seine Teilnahme an Protestaktionen benachteiligt werden. Die Kündigungsfrist des Manteltarifvertrages wird um 2 Jahre auf den 31. Dezember 2000 hinausgeschoben. IG Metall und Arbeitgeber werden noch 1997 Gespräche über die Reform des Flächentarifvertrages beginnen.

Bei VW wurde im Juni 1997 ein verbindlicher Tarifvertrag zur Altersteilzeit abgeschlossen. Die Eckpunkte:

Vom 55. bis zum 60. Lebensjahr können Beschäftigte in Altersteilzeit gehen. Sie arbeiten die ersten 2 1/2 Jahre voll, die restlichen 2 1/2 Jahre nicht mehr. Mit 60 nehmen sie die vorgezogene Rente in Anspruch. In den ganzen Jahren werden 85% vom letzten Nettoentgelt bezahlt. Das Teilzeitentgelt von 50% wird von der Bundesanstalt für Arbeit auf 70% aufgestockt. VW legt die restlichen 15% drauf. VW stockt die Rentenbeiträge auf 100% auf. Das Gesetz sieht nur den Ausgleich auf 90% vor.

VW trägt die Hälfte des Rentenverlustes von 18%, der beim vorzeitigen Rentenbeginn mit 60 Jahren entsteht. Die 9% werden über einen Zuschuß zur Werksrente ausgezahlt. Gemeinsam mit den Betriebsräten wird festgelegt, welchen und wievielen Beschäftigten Altersteilzeit angeboten wird.

Weitere Abschlüße gibt es im Chemie- und Versicherungsbereich. Jeder Arbeitnehmer sollte sich allerdings genau ausrechnen lassen, was bei ihm finanziell rauskommt. Von Vorteil ist der Abschluß bei VW, da hier wenigstens die Hälfte der von der Bundesregierung beschlossenen Rentenkürzungen aufgefangen wird. Viele KollegInnen, vor allem Frauen, die heute in „normaler“ Teilzeit arbeiten, sind von der Altersteilzeit ausgeschlossen, und die Mehrheit der abhängig Beschäftigten wird sich die Altersteilzeit kaum leisten können. Deshalb sind die bisherigen Abschlüsse auch kein ausreichender Ersatz für die bisherigen Vorruhestandsregelungen. (hg)