Kein Herbstaufschwung – Arbeitslosenquote 14,8%

„Der September hat mit einem unvermindert hohen Zugang an Arbeitslosen die Hoffnungen auf spürbare Verbesserungen der Arbeitsmarktdaten im Arbeitsamtsbezirk Kiel nicht erfüllt“, so Rolf Steil (Direktor des Kieler Arbeitsamtes). Angesichts von 15.043 Kielerinnen und Kielern, die Ende September arbeitslos gemeldet waren, ist dies sehr vornehm ausgedrückt. Im Arbeitsamtbezirk Kiel, der auch Kieler Randgemeinden entlang der Küste umfaßt, sind insgesamt 18.590 Menschen arbeitslos gemeldet. Gegenüber dem August sank die Anzahl der gemeldeten Arbeitslosen gerade einmal um 64 Personen. Konkret meldeten sich 2.317 Personen beim Arbeitsamt ab, 2.253 meldeten sich arbeitslos. Der jahreszeitlich bedingte übliche Rückgang der Arbeitslosigkeit (Herbstaufschwung) ist damit in Kiel einfach ausgefallen. Aufgrund des extrem geringen Rückgangs der Arbeitslosenzahlen „bei gleichzeitig zu zögerlicher Nachfrage nach Arbeitskräften blicke ich besorgt auf die kommenden Monate“, so Rolf Steil.

Den 18.590 arbeitslos Gemeldeten stehen nur 684 offene Stellen gegenüber. Gerade einmal 675 Menschen konnten im September in eine Beschäftigung von über 7 Tagen (!) vermittelt werden, im gleichen Zeitraum verloren 984 Menschen ihren Job. 651 mal haben Arbeitssuchende Jobs mit einer Beschäftigungsdauer von unter 7 Tagen angenommen. „Working poor“ ist in Kiel kein Fremdwort mehr.

Die demographische Verteilung der Arbeitslosigkeit hat sich kaum verändert. Der Frauenanteil liegt bei 40%, besonderen Diskriminierungen sind immer noch Menschen ohne deutschen Paß ausgesetzt. Deren Arbeitslosenquote liegt in Kiel bei über 30% und ist sogar gegenüber dem Vormonat gestiegen. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist weiterhin bedenklich hoch. 469 Jugendliche unter 20 Jahren und 1.771 Jüngere zwischen 20 und 25 können sich derzeit keine eigenständige Existenz durch Erwerbsarbeit aufbauen.

Lehrstellen knapp

Probleme gibt es auch immer noch bei Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen. Im September wurden gerade einmal 72 neue Ausbildungsstellen im Hauptamt und in den Nebenstellen des Kieler Arbeitsamtes (Eckernförde und Plön) angeboten. Insgesamt gab es zum Monatsende nur 215 offene Lehrstellen, 168 Jugendliche waren noch nicht vermittelt. Da nicht jede Lehrstelle für jede Bewerberin und jeden Bewerber geeignet ist (und umgekehrt), bleibt für weit über 100 Jugendliche nicht nur der Traumberuf unerreichbar. Da helfen auch nicht die „Bemühungen“ unseres OB, fünf (!) zusätzliche Lehrstellen in der Landeshauptstadt zu schaffen.

Bündnis für Ausbildung

Dagegen zieht Heide Simonis eine positive Bilanz. Das „Bündnis für Ausbildung ’97“ sei ein voller Erfolg gewesen: „Wir haben unser selbstgestecktes Ziel deutlich übertroffen: 1997 wurden in Schleswig-Holstein 684 zusätzliche Ausbildungsverträge geschlossen. Das sind 3,6 Prozent mehr als im vergangenen Jahr und 284 mehr als wir uns vorgenommen hatten“, so Simonis. Im März dieses Jahres hatten Kammern, Verbände, die DAG, das Landesarbeitsamt und die Landesregierung das sozialpartnerschaftliche „Bündnis für Ausbildung“ geschaffen. Ziel war die zusätzliche Bereitstellung von mindestens 400 Lehrstellen. Der DGB ist nicht am Bündnis beteiligt, weil die Landesregierung den zweiten Berufsschultag im 2. und 3. Lehrjahr dem „Bündnis“ geopfert hat.

Um im nächsten Jahr den zusätzlich erwarteten 500 Ausbildungssuchenden eine Lehrstelle bereitstellen zu können, will die Ministerpräsidentin einem weiteren Anliegen der Wirtschaft nachkommen. Diese fordert nämlich die Einführung des sogenannten „Kleinen Gesellenbriefs“. Hugo Schütt (Vorsitzender des Landesausschusses für Berufsbildung) begründet dies damit, daß Jugendlichen, die durch zuviel Theorie überfordert seien, die Möglichkeit einer anerkannten zweijährigen Berufsausbildung gegeben werden solle.

Der DGB kritisiert die geplante „Schmalspurausbildung“ und fürchtet, daß weniger qualifizierte Lohnabhängige langfristig auch weniger Lohn erhalten. Auf die schlechte Situation auf dem „Ausbildungsmarkt“ machten am 9.10. auch gut 50 Demonstrierende aufmerksam. Die von der IG Metall-Jugend initiierte Demo führte vom Gewerkschaftshaus durch die Innenstadt bis zum Landeshaus. „Wer nicht ausbildet muß zahlen“, lautete das Motto der Demonstration. Gefordert wurde eine Umlagefinanzierung. Demnach sollen Unternehmen, die selbst nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, sich an der Finanzierung von Lehrstellen beteiligen.

In der Landeshauptstadt hat das „Bündnis für Ausbildung ’97“ übrigens wenig Erfolg gezeigt. Bis Ende September wurden insgesamt 3.419 Lehrstellen angboten, das sind 178 weniger als zum gleichen Zeitpunkt des letzten Jahres. Einen wesentlichen Anteil an der Ausbildungsmisere in Kiel trägt übrigens die Landesregierung. Von insgesamt 3.548 Stellen (ohne Polizei) für Auszubildende im Landesdienst, wurden nur 3.179 besetzt. (usch)