Ahaus: Ein ganz normaler Grüner

In Nordrheinwestfalen, im schwarzen Münsterland, unweit der niederländischen Grenze, schön abgelegen und katholisch, gibt es in dem kleinen Dörfchen Ahaus ein Zwischenlager für hochradioaktiven Müll. Eigentlich hatten im fernen Düsseldorf wackere Grüne dem sozialdemokratischen Koalitionspartner die Zusage abgerungen, dort nur den eigenen, d.h. nordrheinwestfälischen Atommüll einzufahren. Doch haben erstens in Atomfragen Landesregierungen und -parlamente nichts zu melden und hatte zweitens Niedersachsens Schröder eine grandiose Idee: Es müsse ja nicht aller Strahlenschrott nach Gorleben, Ahaus könne auch was abbekommen. Helmuts Angela Merkel fand die Idee ganz prima, und so kommt es, daß sich süddeutsche AKW-Betreiber darauf vorbereiten, im nächsten Frühjahr den einen oder anderen Castor ins Münsterland zu schicken.

Aber auch die Anti-AKW-Bewegung bereitet sich vor. Am 18. und 19.10. gab es in Ahaus einen Schienenaktionstag. Eine Premiere in zweifacher Hinsicht, denn zum einen kannte man in dem verschlafenen Nest bisher solch bunten Widerstand nicht. Zum anderen trafen die Demonstranten auf Deutschlands ersten grünen Polizeipräsidenten. Der hatte bereits angekündigt, in seinem Herrschaftsbereich würden friedliche Demonstranten behandelt wie überall in Deutschland. Er sollte recht behalten.

Ca. 1.000 Menschen kamen an besagtem Wochenende bei verschiedenen Aktionen zusammen, darunter 30 Bauern mit ihren Traktoren. In vier Kesseln wurden an die 200 Demonstranten festgenommen. Die Verhafteten wurden in Plastikfesseln abgeführt. Einem Teilnehmer wurde die Kamera abgenommen, als er filmte, wie ein Polizist einem Demonstranten ins Gesicht schlug. Rund die Hälfte der Festgesetzten waren unter 18, einige sogar jünger als 14. Kinder sollen von ihren Eltern getrennt worden sein. Auch sie wurden bis zu neun Stunden festgehalten, bis ihre Personalien endlich aufgenommen waren. In der Coesfelder Polizeistelle hätten sich 14-15jährige Mädchen bei der Durchsuchung komplett ausziehen müssen, erklärte Hartmut Liebermann von der BI Ahaus.

Polizeipräsident Hubert Wimber rechtfertigte später den Einsatz. Straftaten hätten vermieden werden müssen. Die sahen nach Aussagen des Polizeisprechers so aus: Mehrere Schwellen wurden unterhöhlt, mehrere Muttern und Schrauben von den Schienenträgern entfernt, ein Vorsignal massiv beschädigt.

„Die Bürgerinitiative“, verkündet Wimber am Montag nach der Rambo-Aktion seiner Beamten, „müsse sich jetzt fragen, wie ernst es ihr künftig mit dem friedlichen Widerstand ist.“ Man sei verantwortlich für die Geister, die man ruft.

Eine Reihe von Jugendfunktionären und lokalen Vertretern der Grünen aus NRW beschwerte sich zwischenzeitlich in einem offenen Brief bei ihrem Parteifreund. Der Polizeieinsatz sei „in unseren Augen unprofessionell“ gewesen. Die ganze Geschichte müsse aufgeklärt werden. Sollte das nicht „schonungslos“ geschehen, müsse Wimber zurücktreten. (wop, nach Berichten aus dem CL-Netz)