Gansel läßt Katze noch im Sack

Weiter Unklarheit über exakte Kürzungswünsche des OB

In einer „geschäftlichen Mitteilung“, die den Fraktionen erst kurz vor der Sitzung der Kieler Ratsversammlung am 23.10. aufgetischt worden war, „erläuterte“ der Kieler Oberbürgermeister sein Sparkonzept für den kommenden Haushalt. Viele konkrete Zahlen wollte der OB, der in Personalunion auch Kämmerer ist, allerdings nicht offenbaren. Pauschal kündigte Gansel Kürzungen von 20% bei der Öffentlichkeitsarbeit an (ohne Kieler Woche), mit pauschal 10% sollen die Haushaltsposten Reisekosten und Wegstreckenentschädigungen, sonstige Verbrauchsmittel, Unterhaltung der Grundstücke und bauliche Anlagen sowie Unterhaltung des sonstigen unbeweglichen Vermögens (ohne Kanalsanierung und Straßenunterhaltung) gekürzt werden. Mit einem dreimonatigen Einstellungsstop bei der Stadt „und daran anschließend einer zeitlich unbegrenzten Einstellungssperre“ müsse nach dem Willen des OB im Personalbereich gespart werden.

Grundsätzlich sei der Verkauf städtischen Eigentums dann sinnvoll, wenn sich dessen strategische Marktchancen verbessern und strukturelle Haushaltserleichterungen die Folge wären. Auch seien „Kredite zur Finanzierung rentierlicher Investitionen vertretbar.“ Dazu gehören nach Auffassung des OB offenbar nicht diverse soziale Projekte:

So werden in der geschäftlichen Mitteilung Kürzungen „bei einzelnen Frauenprojekten“, bei den „Zuwendungen für Behindertenfahrdienste“ und die „Kürzung der Zuschüsse für verschiedene soziale Vereine, Verbände und Beratungsdienste“ angekündigt. Wie von den betroffenen Gruppen zu erfahren war, will der Kämmerer u.a. beim Kieler Frauenhaus, beim Autonomen Mädchenhaus und bei T.I.O (Treff und Informationsort für MigrantInnen) die Axt anlegen. Die städtischen Bühnen sollen 1 Mio. einsparen (aus Landesmitteln erhalten die städtischen Bühnen 1998 einen Zuschuß in gleicher Höhe). Ganz auf der Streichliste stehen der SeniorInnenpaß für ältere Kieler MitbürgerInnen, das Arbeitslosenticket und der städtische Zuschuß zum Projekt Frauennachtfahrten.

Dagegen, so Gansel, könnten verschiedene Maßnahmen „im investiven Bereich des Haushaltes 1998 durchgeführt bzw. beendet werden“. U.a. nannte der OB hier den Umbau des ZOB mit Bahnhofvorplatz, den Umbau der Hamburger Chaussee, den Ausbau der Eckernförder Straße, den Umbau Joachimsplatz und die Hörnsanierung, aber auch die Sanierung von Jugendtreffs und KITA-Einrichtungen.

In der mündlichen Stellungnahme zur „Geschäftlichen Mitteilung“ bezeichnete der Kämmerer die Finanzlage der Stadt als „schwierig, aber nicht katastrophal“. Kiel liege bei der Verschuldung „im Vergleich mit vergleichbaren westdeutschen Großstädten im Mittelfeld“. „Unser Vermögen ist größer als unser Kredit“, so der OB. Die städtischen Schulden von ca. 936 Mio. zwängen aber zum Umdenken: „Wir müssen beginnen, umzusteuern.“

Als Erfolg bewertete Gansel, daß es 1998 in Kiel „keine Steuern- und Gebührenerhöhung“ geben werde. Dies sei „gut für die Wirtschaft und die Bürger“.

Die Kritik an den Sparvorschlägen vorwegnehmend bemerkte Gansel, daß er „unpopuläre Sparmaßnahmen“ schon vor der Wahl angekündigt habe. Für die Haushaltsdebatte im Rat, die am 11. und 12. Dezember stattfinden wird, forderte der „Sparkommissar“: „Bei Anträgen muß es Deckungsvorschläge geben“.

Ratsherr Kottek (SUK) lobte als nächster Redner die unsozialen Sparvorschläge Gansels: „Was hier vorgelegt wurde, wäre Aufgabe aller bisherigen Kämmerer gewesen.“ „Wir werden fast alle Dinge mittragen“, so der Fraktionsvorsitzende, da in diesem Entwurf fast alle Anträge realisiert seien, die die SUK stellen wollte.

Mit diesem Lob blieb die SUK allerdings allein. Selbst Arne Wulff (CDU) attackierte Gansels ungewöhnliches Vorgehen, im Rahmen einer geschäftlichen Mitteilung eine Haushaltsrede zu halten, ohne einen Haushalt vorzulegen. Es fehlten die konkreten Daten, so daß die CDU keine grundsätzliche Stellungnahme abgeben könne. Gleichwohl seien die geplanten Streichungen beim Seniorenpaß, Arbeitslosenticket und bei den Frauennachtfahrten „ein kleiner Schritt, aber mehr auch nicht“. Die dort geplanten Einsparungen würden nur ca. 1,5 Mio. DM betragen, das strukturelle Defizit in Höhe von über 50 Mio. DM könne so nicht behoben werden. Gleichwohl begrüßte der Fraktionsvorsitzende der CDU die geplanten Streichungen als „langjährige Anträge der CDU“ und frohlockte anschließend: „Es sind auch im Hinblick auf die Ratsmehrheit interessante Diskussionen zu erwarten.“

Diesen naheliegenden Eindruck versuchte Eckehard Raupach (SPD) zu widerlegen. „Die rot-grüne Mehrheit wird den Haushalt tragen“, orakelte der Fraktionsvorsitzende in seiner Rede, die in weiten Teilen Gansels Haushalts-Thesen vollkomen widersprach: „Ein Haushalt muß Zustimmung finden in der Stadt, in der Bevölkerung und in meiner Fraktion.“ Dies geschehe nur „bei einem sozialen Haushalt“. Die SPD wisse, „daß gerade die Leute mit wenig Geld große Probleme haben“, wenn die sozialen Institutionen kaputtgespart würden. Die Stadt Kiel dürfe deshalb die Institutionen, die deren Interessen vertreten, „nicht so weit schädigen, daß sie kaputtgehen“. Weiter wollte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende „zu einem Haushalt, der nicht vorliegt, nicht äußern.“

Gleichwohl zeichnete Raupach ein allgemeines Bild von den städtischen Finanzen, welches gar nicht zu dem Ganselschen Horrorgemälde paßt: 1994 habe es ein leichtes Haushalts-Defizit gegeben, der 1995er Haushalt war ausgeglichen, 1996 sei sogar ein Überschuß erwirtschaftet worden. Auch die Ergebnisse des Haushaltsjahres 1997 müßten erst einmal abgewartet werden.

Fast beschwörend redete der SPD-Fraktionsvorsitzende wohl eher in Richtung „seines“ OB als zur Opposition: „Norbert Gansel wird nicht das Medium der SUK, der CDU oder sonstiger geistiger Medien werden, er ist der sozialdemokratische Oberbürgermeister der Stadt Kiel“. (usch)
 

Zitate:

„Der erste Eindruck der geschäftlichen Mitteilung hat bei uns Erschrecken ausgelöst, aus dem selben Grunde, wie er bei der SUK auf Beifall stößt.“ (Edina Dickhoff, Bündnisgrüne)

„Sie stehen in der Dunkelkammer und rufen lautstark, ich bin dafür.“ (Eckehard Raupach in der „Haushaltsdebatte“ zur SUK)

„Der Bund spart, das Land spart und wir müssen auch sparen.“ (Lutz Oschmann, Bündnisgrüne, in der Debatte um Arbeitsplätze bei Bundesbehörden)