(Fast) alle gegen den 3. Kessel

Die Müllverbrennungsanlage (MVA) ist nach wie vor ein Dauerbrenner im Rat. Eine Änderung der verfahrenen Diskussionslage hat sich aber insofern ergeben, als nun bis auf einige SPD-Abgeordnete alle Ratsmitglieder gegen den 3. Kessel sind. Ein Beschluß zu dessen endgültiger Stillegung wurde dennoch nicht gefaßt.

Hintergrund dieser taktischen Spielchen ist der Mülldeal mit dem Kreis Schleswig-Flensburg. Im Vertrag mit dem Kreis wurde die „Verbrennungslinie 3“ explizit erwähnt, so daß Müllfeuerwerker Schirmer (SPD) nun befürchtet, vertragsbrüchig zu werden, wenn der 3. Kessel nicht zumindest als Option erhalten bleibt. Mit dieser Ansicht steht Schirmer aber weitgehend allein. Selbst die CDU ist gegen den 3. Kessel, brachte jedoch am Tag der Ratsversammlung einen Antrag ein, der das Problem umgehen soll. Laut Antrag, der später eine breite Mehrheit fand, wird OB Gansel beauftragt, „unverzüglich“ Verhandlungen mit dem Kreis Schleswig-Flensburg dahingehend aufzunehmen, daß „die Verpflichtung der Stadt Kiel, einen Antrag auf Genehmigung des 3. Kessels (...) zu stellen, entfällt“ und „die vereinbarte Preisgestaltung für die Abfälle aus dem Kreis“ bei Umstellung auf einen „2 Kessel-Betrieb erhalten“ bleibt. Bis zum Januar ’98 soll der OB der Ratsversammlung Bericht erstatten. Bis zu diesem Zeitpunkt, der, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Wulff, auch „gerne schon im Dezember“ liegen kann, sollen die Anträge zur endgültigen Stillegung des 3. Kessels zurückgestellt werden. Grund, so Wulff: Man will den Vertragspartner nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Nach den Verhandlungen und der entsprechenden Vertragsänderung könne man dann über die Stillegung beschließen.

Dieser Kompromiß geht offenbar auf Intervention Gansels bei der CDU zurück, die in ihrem ursprünglichen Antrag vom 15.9. (in der Septemberratsversammlung war die Beratung zurückgestellt worden, weil die SPD der Dringlichkeit nicht zugestimmt hatte) noch die „Einstellung aller Konservierungsmaßnahmen am Kessel 3“ gefordert hatte. Gansel fühlte sich dadurch in den Verhandlungen zum Mülldeal unter Druck gesetzt, wie er der Presse verriet.

Die Bündnisgrünen hielten ihren Antrag zur sofortigen Stillegung des 3. Kessels aufrecht, mußten sich dann aber mit dem CDU-Kompromiß zufrieden geben. Ratsherr Schreiber mochte der Argumentation Wulffs, man müsse taktisch vorgehen, nicht folgen. Für ihn habe die Stadt das konstruierte Problem gar nicht, vertragsbrüchig werde sie erst, wenn sie den dem Kreis Schleswig-Flensburg zugesicherten Müllabnahmepreis nicht halten könne. Schreiber witterte, daß mit dem CDU-Antrag noch eine „Tür für den 3. Kessel offenstehe“. Das sah auch der SPD-Ratsherr Wetzel, ein Befürworter des 3. Kessels, so. Der CDU-Antrag sei in Ordnung, er lasse, „nebenbei bemerkt, sogar die Option für den 3. Kessel zu“. Messerscharf erkannt! Wolfgang Kottek (SUK) wandte sich strikt gegen solche Optionen. Es müsse klar sein, daß „der 3. Kessel nicht kommt“. Seine Fraktion halte „die Position der Grünen für absolut richtig“. Deswegen werde man sich in der Abstimmung über den CDU-Antrag enthalten, nicht weil man für den 3. Kessel sei, sondern wegen der Hintertür für diesen.

Seltsame Koalitionen also im Rat. Die SPD hält in Teilen immer noch an der Dreckschleuder 3. Kessel fest, obwohl sie weiß, daß dafür keine Mehrheit im Rat zu finden ist. Ratsherr Kirkskothen schoß noch eine Breitseite gegen Arne Wulff. Wulff habe das Dilemma verursacht und wolle sich jetzt „elegant aus der Affäre ziehen“. Zwar war dies die Geste eines schlechten Verlierers, aber ganz falsch ist die Behauptung nicht, denn Wulffs CDU will es sich offenbar nicht mit dem OB verscherzen, der bei den Kürzungsplänen im Sozialen fast ganz auf ihrer Linie liegt.

Fazit: Der 3. Kessel ist immer noch nicht vom Tisch, obwohl sich für ihn keine Mehrheiten mehr ergeben. Insofern ist die jetzige Lösung nur eine weitere Verzögerung eines längst fälligen Beschlusses. Und es ist wahrscheinlich, daß die Mülldealer aus dem Kreis-Schleswig-Flensburg diese dubiose Taktiererei durchschauen werden. Ob das die Nachverhandlung des Vertrags nicht eher negativ beeinflußt? Der eigentliche Skandal ist, daß der Vertrag überhaupt mit der Klausel 3. Kessel abgeschlossen wurde. Darüber echauffierte sich jedoch niemand im Rat.

Der Streit um den 3. Kessel überdeckte in der Ratsversammlung den zweiten Problemfall bei der MVA. OB Gansel möchte den Müllofen gerne an die stadteigene VVK verscherbeln, während die CDU auf völlige Privatisierung (Verkauf an den Müll- und Energiekonzern RWE) pocht. Die Beratungen darüber wurden in nicht-öffentlicher Sitzung an die Ausschüsse überwiesen. (jm)