Ratssplitter

Kieler Arbeitsplätze sind wiedereinmal bedroht. Für die Ratsfraktionen allemal Grund, die Reihen fest zu schließen. Diesmal heißt der Feind Theo Waigel. Der plant, heißt es in einer Resolution, die vorletzte Woche einstimmig im Rat verabschiedet wurde, „die Zahl der Oberfinanzdirektionen von 21 auf 8 zu reduzieren sowie die Vermögensverwaltung nach Rostock und die Zollverwltung nach Hamburg zu verlagern.“ Kiel sei schon genug gebeutelt und habe sicherlich mehr Strukturprobleme als Hamburg, waren sich Wulff (CDU), Oschmann (B90/Die Grünen) und Raupach (SPD) einig. So weit kann man folgen, allein: Es ging ja auch um eine Verlagerung nach Rostock, das im Gegensatz zur hanseatischen Schwester an der Elbe nicht gerade zu den reichsten Regionen Deutschlands gehört. Während die meisten Debattenredner diesen Umstand vornehm übergingen, mochte einer aus seiner lokalpatriotischen Engstirnigkeit keinen Hehl machen: Es könne nicht sein, „daß Kiel als Notnagel für irgendwelche neuen Bundesländer herhalten muß“, scholl es vom Stammtisch des Ratsherrn Kottek (SUK) herüber. Der OB solle sich dafür einsetzen, daß Kiel nicht zum „Verschiebebahnhof für Mensch und Material“ werde. Einen Antrag, den Hafen zu schließen, stellte er allerdings nicht.

(Fast) alle fanden sie klasse, die Kieler Woche. Vor allem die „schwarzen Sheriffs“, die im Auftrag des neuen Saubermann-OBs brutal Kleinhändler vertrieben hatten, um den Freßdealern an der Kiellinie lästige Konkurrenten vom Leib und die Kieler Woche „sauber“ zu halten. So wenigstens der allgemeine Tenor bei der Vorstellung von Gansels Kieler Woche-Bericht. Ratsherr Moriz (CDU) waren die „Schwarzhemden“ (als solche bezeichnete man übrigens auch die Miglieder der SS) noch nicht scharf genug. Zwar war die Kiellinie gesäubert, aber „5 Meter weiter“ stellten die Händler ihre Stände wieder auf. Da müsse nächstes Mal „nachgebessert“ werden. Nur Lutz Oschmann von den Grünen bot Paroli. Es werde mit zweierlei Maß gemessen, wenn während der Kieler Woche 32 Einzelhändler in der Innenstadt die Flächen vor ihren Läden sogar an Kleinhändler vermietet hatten. Besser als Vertreibung sei die Erhebung von Standgebühren für die Kleinhändler. Ratsherr Kottek (SUK) gefiel ein ganz anderes Flair des Volksfestes. Er dankte Polizei und Marine für die „hervorragende Abwicklung“ der Kieler Woche. Denen, den „Gastgebern für uns und mit uns“, galt auch der spezielle Dank des OB. Und damit mal klar ist, daß es hier nicht nur ums Feiern geht: Die Kieler Woche, so der Visitenkarten-OB, ist „das wichtigste Werbemittel für Kiel und seine Wirtschaft, nicht nur ein Volksfest für die Kielerinnen und Kieler“. Ratsherr Wetzel (SPD) gehört zum alten Eisen. Im Werftpark habe es beim Abschlußabend nur „Musik fürs junge Gemüse“ gegeben. Ob man da beim nächsten Mal nicht „auch die gesetztere Generation mehr berücksichtigen“ könne.

Tafelsilber zu verkaufen, bringt nichts, weiß die grüne Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff. Wohl wahr. Aber was sollen wir hiervon halten?: „Wobei ich die MVA nicht unbedingt zum Tafelsilber rechnen möchte.“ Bringt's also was, die Dreckschleuder zu verscherbeln?

Die Lehrerausbildung an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Uni wird teilweise nach Flensburg verlegt, so will es die Landesregierung. Schon wieder hat Kiel ein Stück weniger am Imagekuchen von Landes- und Bundeseinrichtungen. Drum verabschiedete man im Rat in der Septembersitzung eine Resolution dagegen. Der OB sollte bei den Parteifreunden im Landeshaus auf den Putz schlagen. Was ist dabei herausgekommen, wollte die CDU wissen. Und auch die Grünen fragten vorsichtig nach, ob sich der OB nicht doch gedrückt hatte. Gansels einsilbiger Kommentar: „Gerüchte sind nicht Fakten. Deshalb sind das Gerüchte.“

Beim Aufbau von vielen schönen neuen Arbeitsplätzen schlägt die Wirtschaft gerne mal über die naturgesetzlichen Stränge und ein Loch in einen geschützten Knick, denn wo gehobelt wird, da fallen Bäume. Christian Hünert vom BUND wollte in einer Einwohneranfrage wissen, was die Stadt gegen derlei Eigenmächtigkeiten insbesondere im Industriegebiet Wellsee unternimmt. Nichts – auf dieses einfache Wort läßt sich die lustlose Antwort von „Umwelt“dezernent Schirmer reduzieren. Acht ungenehmigte Eingriffe habe es gegeben, wozu Ermittlungsverfahren eingeleitet aber noch nicht abgeschlossen seien. Und dann wollte Umweltschützer Hünert auch noch wissen, warum Pläne zum Schutz bestimmter Gebiete zwar beschlossen seien, aber offenbar nicht umgesetzt werden. Antwort: Die betroffenen Flächen seien z.T. langjährig verpachtet, daher könnten „Maßnahmen nicht sofort durchgeführt werden“. Dann ist da noch die Natur, die den phlegmatischen Naturschützern im Umweltamt viele Schnarchpausen gönnt: Bestimmte Pflanzungen könnten nur einmal im Jahr vorgenommen werden, zur Pflanzungszeit. Die ist gerade wieder vorbei. „Da können schon mal einjährige Verzögerungen auftreten“, so Schirmer. Schade, daß die politischen Schlingpflanzen, die auf dem SPD-Filz wuchern, offenbar viel schneller und nachhaltiger unter „Natur“schutz stehen. (wop, jm)