Widerstand gegen Gansels Sozialkahlschlag wächst

Verschiedene soziale Initiativen und Projekte, die von den „Sparplänen“ des OB und Kämmerers für den 98er Haushalt betroffen sind, haben sich zu einem „Aktionskreis sozialer Unfrieden“ zusammengeschlossen. Ihre soziale und kulturelle Arbeit sehen sie durch die angedrohten Kürzungen bedroht. Ziel des Zusammenschlusses ist es, schon im Vorfeld der kommenden Haushaltsberatungen die geplanten Einsparungen zu verhindern.

Der Name des Aktionskreises ist Gansels Ankündigung geschuldet, im kommenden Haushalt den „sozialen Frieden“ nicht gefährden zu wollen und sozialen Problemen vorzubeugen. „Seine Taten sprechen eine andere Sprache“, so der Entwurf eines ersten Flugblatts des Aktionskreises, das der Redaktion vorliegt. Darin heißt es weiter: „Mit den Kürzungen beim Seniorenpaß trägt er (Gansel) seinen Teil dazu bei, daß ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen noch weniger Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichem Leben haben. Mit den Kürzungen bei den Frauenprojekten verringert er die ohnehin zu geringen Möglichkeiten des Schutzes von Mädchen und Frauen vor (sexualisierter) Gewalt noch weiter. (...) Gansels Sparkatalog schürt den sozialen Unfrieden“ ist das Resümee des Aktionskreises.

Auch das Frauenbündnis Kiel lehnt in einer Stellungnahme Gansels Kürzungsvorschläge ab. „Es zeugt nicht von Kompetenz und ist auch keineswegs etwas Neues, wenn Herr Gansel versucht, den Kieler Haushalt schwerpunktmäßig auf Kosten von Mädchen und Frauen zu sanieren“, so Gabriela Eilberg, eine der Sprecherinnen. Z.B. träfe die geplante Streichung des SeniorInnenpasses vornehmlich Frauen. Im Alter alleinstehend zu sein, träfe Frauen wesentlich häufiger als Männer. Zudem verfügen Frauen durchschnittlich nur über die Hälfte der Einkünfte gleichaltriger Männer. Beides wirke sich sehr auf die Möglichkeiten aus, am öffentlichen Leben teilzunehmen. „Wer den SeniorInnenpaß steichen will, wendet sich damit unmittelbar gegen die Bedürfnisse und Wünsche von Frauen“, so Gabriela Eilberg. „Besonders schlecht zu sprechen“ sei das Bündnis auf die öffentlichkeitswirksame Ankündigung des OB, sich persönlich um die Arbeit des Rates zur Kriminalitätsprävention zu kümmern: „Was, Herr Gansel, verstehen Sie denn bitte unter Kriminalitätsprävention – wenn nicht das Frauennachttaxi, wenn nicht die Arbeit des Mädchenhauses und des Frauenhauses, denen sie die Mittel kürzen wollen?! Solch einen Gegensatz von Worten und Taten können wir nur als zynisch bezeichnen.“ Schließlich sei das Frauennachttaxi nach Morden an Frauen eingerichtet worden. Bei monatlich 2.000 bis 3.000 Fahrten sei die Sicherheit von Frauen durch dieses Angebot gewährleistet. Das Frauennachttaxi sei somit kein „wünschenswertes soziales Projekt“, wie der OB meint. Jemand, der so redet, sei „nicht qualifiziert, sich öffentlich über Gewaltprävention zu äußern!“

Auch der Frauenhaus Kiel e.V. erteilt in einem Flugblatt dem OB notwendige Nachhilfe. Ohne den „präventiven Aspekt“ seiner Arbeit wäre ein Frauenhaus mit nur 25 Plätzen für Frauen und Kinder in einer Stadt von Kiels Größe undenkbar. Schon früh habe der Verein andere Bereiche forciert. Genannt werden in dem Flugblatt die Frauenhausberatungsstelle in der Lerchenstraße, die Mitarbeit im Arbeitskreis „Gewalt gegen Frauen“, im Landesrat für Kriminalitätsverhütung und die Mitinitiierung des Kieler Interventionskonzeptes. „Hierbei ist es unser Ziel, Frauen zu unterstützen, aus dem Gewaltkreislauf auszusteigen und ihre Rechte auszuschöpfen“, heißt es weiter. „Wir kämpfen lieber für die Möglichkeit, daß Frauen in Krisensituationen das Recht bekommen, in ihrer Wohnung zu bleiben, als teure Frauenhausplätze zu etablieren.“ Die angedrohten Kürzungen in Höhe des Sachmitteletats seien indiskutabel, „nur mit der bisherigen finanziellen Ausstattung“ könne „sinnvolle Arbeit mit kurzen Frauenhausaufenthalten und krisenbegleitenden Maßnahmen“ geleistet werden. Präventive Arbeit zu kappen, sei auf Dauer teuer. Und ein OB, der sich für Gewaltprävention einsetze, solle dort, wo diese Arbeit erfolgreich geleistet werde, diese auch weiter gewährleisten.

Beim Autonomen Mädchenhaus des Vereins Lotta e.V. sollen nach einer Presseerklärung ca. 300.000 DM eingespart werden. 1997 betrug die Unterstützung für das Projekt „Autonomes Mädchenhaus“ 1.284.800 DM. Sollte die Kürzung von ca. 25% Realität werden, dann wäre die einzige Mädchenzufluchtstelle in S.-H. nicht mehr aufrechtzuerhalten. Auch das Autonome Mädchenhaus ist kein „Frauenprojekt“ oder „wünschenswertes soziales Projekt“ sondern eine Einrichtung, die seit nunmehr acht Jahren im Auftrag der Stadt Kiel einen Bereich der Jugendhilfe abdeckt. Dies scheint dem OB nicht bewußt, da er bei den Haushaltskürzungen die Jugendarbeit verschonen wollte. Das niedrigschwellige Angebot Mädchenhaus steht Mädchen und jungen Frauen zur Verfügung, die Opfer von Gewalt geworden sind. Damit erfüllt das Mädchenhaus die im Kinder- und Jugendhilfegesetz und im Jugendförderungsgesetz gestellten Forderungen nach einem geschlechtsspezifischen und besonderen Schutz für Mädchen und jungen Frauen. In der Presseerklärung weist das Autonome Mädchenhaus darauf hin, daß „drastische Kürzungen im Bereich des Jugendschutzes (...) eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Stadt“ darstellen. Auch Einsparungen bei anderen „sozial schwächer gestellten Teilen der Bevölkerung“ wie Senioren, Menschen mit Behinderungen und Arbeitslosen werden kritisiert. Für das „Mädchenhaus“ wird in der Presseerklärung „eine gesicherte Finanzierung (...) mindestens im vollen Umfang des Jahresetats 1997“ gefordert. (usch)