König Gansel bekämpft Arme

Unter Umgehung aller demokratischen Instanzen hat Oberbürgermeister Gansel im Alleingang Zwangsarbeit in Kiel eingeführt: „Die Stadt beginnt in verschiedenen Ämtern mit dem Einsatz von Sozialhilfeempfängern für gemeinnützige und zusätzliche Arbeit“, ließ Gansel am 7.11. verlauten. Als Einstieg in diese Form von Zwangsarbeit sollen 30 sog. „Neuantragsteller“ gegen eine Mehraufwandsentschädigung von zwei Mark pro Stunde vor allem im Bereich öffentlicher Anlagen wie Parks und Gebäuden arbeiten. Arbeitsverweigerung soll mit einer Kürzung des Sozialhilfe-Regelsatzes bestraft werden. Jeder Sozialhilfeantrag, drohte Gansel laut KN, „soll schon gut überlegt sein und in seiner ganzen Konsequenz erfaßt werden“.

Noch in der August-Ratssitzung hatte die rosa-grüne Ratsmehrheit einen entsprechenden Antrag der CDU in den Sozialausschuß überwiesen (LinX berichtete). Dort wurde er einhellig abgelehnt: Sozialdezernentin Bommelmann widerlegte damals die Behauptung, daß die Stadt durch die Einführung von Zwangsarbeit gegen eine Mehraufwandsentschädigung Geld sparen könne. Nur sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, so Bommelmann, führe auf Dauer zu einer finanziellen Entlastung der Stadt.

Dies sieht OB Gansel anders: „Diese Rechnung stimmt nur, wenn die gemeinnützige Arbeit überhaupt keine Wirkung zeigt und die Beschäftigung bei der Kiba nach einem Jahr beendet wird“, so Gansels kalte Bilanz.

Der Beifall für diese menschenverachtende Politik, die nicht die Ursachen von Armut, sondern die Armen bekämpft, erhielt Gansel prompt vom rechten Lager. CDU-Frontmann Arne Wulff analysierte treffend, daß der OB Anträge umsetze, die die CDU in der Ratsversammlung gestellt habe. Aber auch von sozialdemokratischer Seite bekommt der Oberbürgermeister Unterstützung. So kann SPD-Kreisvorsitzender Rolf Fischer nicht die „abfälligen Einschätzungen“ gemeinnütziger Arbeit teilen. Vergleichbare Arbeit werde schließlich von vielen ehrenamtlichen Helfern verrichtet. Den Zwangscharakter der Ganselschen Vorstellungen übergeht der SPD-Kreisvorsitzende geflissentlich.

Nur die Bündnisgrünen zeigen sich empört: „Die vom OB veranlaßte Einführung des neuen Modells steht im krassen Gegensatz zu den geltenden Beschlüssen der Ratsversammlung“, so Fraktionsvorsitzende Dickhoff: „Ich frage mich, ob der OB und die Verwaltung eine so weitreichende und politisch bedeutsame Entscheidung überhaupt über die Köpfe der Ratsversammlung hinweg treffen dürfen.“ Dickhoff kündigte an, prüfen zu lassen, ob „die Rechte des OBs nach der neuen Kommunalverfassung tatsächlich so weit reichen dürfen, daß gegenteilige Mehrheitsbeschlüsse der Selbstverwaltung ad absurdum geführt werden können“. Verwunderung bei den Grünen hat auch die Art und Weise des OBs ausgelöst, das neue Modell zuerst den KN gegenüber kundzutun, ohne vorher die Mitglieder der Fraktionen und der Selbstverwaltung informiert zu haben. Dickhoff verlangte Auskunft darüber, wer wann an welcher Stelle an der Ratsmehrheit vorbei diesen Beschluß gefaßt habe. Gabi Reimann, sozialpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, machte zudem auf die Tatsache aufmerksam, daß im Haushaltsentwurf die erforderlichen Mittel für die gemeinnützige Mehraufwandsbeschäftigung nicht ausgewiesen seien.

Die SPD-Ratsfraktion hält sich angesichts des neuen Affronts „ihres OB“ bedeckt. Noch in der letzten Sitzung des Rates der Stadt Kiel hatte Fraktionsvorsitzender Raupach die These aufgestellt, daß Norbert Gansel nicht das Medium der SUK oder der CDU werde. Die Indizienkette für diese Behauptung wird immer dünner. (usch)