Ein Jahr Härtefallkommission – Flüchtlingsrat zieht Bilanz

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V hat einen Rückblick auf ein Jahr Mitabeit in der Härtefallkommission des Landes Schleswig-Holstein gegeben. Ob die Härtefallkommission (HFK) den mit ihrer Einrichtung verbunden politischen Zielen des Koalitionsvertrages gerecht wird, steht für den Flüchtlingsrat nach wie vor auf dem Prüfstand.

Von Anfang an hat der Flüchtlingsrat die Einrichtung von Härtefallkommissionen bejaht, als Zeichen gegen eine inhumane und barbarische Flüchtlingspolitik und als Behelfs- und Übergangslösung bis zu der Humanisierung des Rechtes und der Wiedereinführung des ausländerbehördlichen Ermessensspielraumes in Einzelfällen. Gleichzeitig hat er jedoch auch Bedenken wegen des möglichen Mißbrauchs der HFK geäußert: als Ersatzlösung (anstelle einer politischen Wende) und als Sanktionierung einer Politik, die Humanität proklamiert, tatsächlich aber ihre Handlungsspielräume zugunsten von Flüchtlingen nicht ausschöpft.

Von daher hat der Flüchtlingsrat bereits im Februar 1997 in Frage gestellt, ob der HFK in Schleswig-Holstein hinreichende Möglichkeiten gelassen werden, Unrecht abzuwehren, welches Menschen trifft, nur weil sie Ausländer sind, und ob dazu über die HFK die bewußtere Nutzung von gegebenen Ermessensspielräumen auf der Ebene von Landeserlassen zu erreichen ist.

Nach einem Jahr aktiver und konstruktiver Mitarbeit stellt der Flüchtlingsrat fest, daß seine Bedenken berechtigt waren und sich die positiven Erwartungen nur zu einem kleinen Teil erfüllt haben. Die HFK habe sich zwar in manchen Fällen als letzter Rettungsanker in der Not bewährt, der „unkritisch positiven Bilanz des Innenministeriums“ könne sich der Flüchtlingsrat aber nicht anschließen.

So sei der vom Innenministerium (IM) genannte Fall eines angeblich typischerweise von der Härtefallkommission abgelehnten Falles sogar eher als „eine Möglichkeit des Mißbrauchs der Kommission von interessierter Seite zur Festigung restriktiver politischer Linien“ zu werten.

Die Abschiebung eines in Deutschland aufgewachsen, straffälligen türkischen Jugendlichen wurde vom IM als von der gesamten HFK ohne weiteres akzeptiert dargestellt. Der Hinweis auf die tatsächlich kontroverse Diskussion und Abstimmung in der HFK angesichts der entgegenstehenden Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes fehlte.

Über die Hälfte der Anträge an die HFK würden nach einem abgeschlossenen Asylverfahren gestellt. Die Ausreisepflicht – so der Flüchtlingsrat – werde bei all diesen Fällen bisher ungeachtet dramatischer Härten als unumstößlich behandelt. Dies vertrage sich nicht mit der Intention der HFK – so sie als Übergang zu einer humanen Politik eingerichtet wurde.

Die älteste HFK (Berlin) habe ebenso wie die in Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich von Anfang an weitaus größere Spielräume gehabt. Und anders mache die Arbeit der HFK auch keinen Sinn. Die vom Flüchtlingsrat am 30.9. an das IM herangetragene Bitte, die schleswig-holsteinische Erlaßlage an die in NRW gültige anzupassen, wurde bis dato nicht beantwortet. Statt dessen formuliert das Innenministerium in den HFK- Protokollen zu Fällen, in denen es um ausreisepflichtige Asylsuchende geht, immer wieder, es sei „keine besondere Härte erkennbar“. Derartige Formulierungen sind für den Flüchtlingsrat unerträglich.

Zudem kritisiert der Flüchtlingsrat, daß in der schleswig-holsteinischen Härtefallkommission eine außergewöhnliche Dominanz des Innenministeriums festzustellen ist. Nur in Schleswig-Holstein gebe es eine Personalunion zwischen der Leitung der HFK und der Leitung der gesamten Abteilung „Ausländer“, die im Innenministerium für die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zuständig ist. Nur in S.-H. habe das IM selbst zwei Stimmrechte. Diese Dominanz habe sich bisher lähmend auf alle Reformansätze ausgewirkt und behindere nicht nur die unbefangene Auslotung von Auslegungsspielräumen seitens der HFK, sondern unterlaufe auch die im Koalitionsvertrag für die HFK eingeforderte Anhörung von Fachleuten aus Nichtregierungsorganisationen zu Grundsatzthemen.

Die HFK kann nach Ansicht des Flüchtlingsrates nur dann auch in Schleswig-Holstein zu einem Forum zur Bereicherung der Sachdiskussion werden, wenn diese spezifisch schleswig-holsteinische Gängelung aufgegeben wird. (usch – nach einer Pressererklärung des schleswig-holsteinischen Flüchtlingsrates)