Stoppt Gansel!

Proteste gegen Gansels Haushalt

Die außerparlamentarischen Proteste gegen Gansels Haushaltsentwurf mit den geplanten „bitteren Kürzungen“ bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“ der Stadt Kiel dauern an. Auch die SPD-Fraktion geht auf Distanz zu „ihrem OB“.

Eine erste öffentliche Aktion des „Aktionskreises soziale Unruhe“ fand am 7.11. beim Forum zur lokalen Agenda 21 im Kieler Schloß statt. Die BesucherInnen (einschließlich Norbert Gansel) mußten durch ein Spalier von Menschen, die gegen den geplanten Sozialkahlschlag protestierten.

Während seiner Rede wurde Gansel daran erinnert, daß es Anliegen der Agenda 21 ist, Probleme wie Umweltzerstörung, Massenarbeitslosigkeit und soziale Ungerechtigkeit im Zusammenhang zu betrachten. Wie die konkreten Kürzungspläne bei den einkommensschwachen Bevölkerungsschichten mit der Agenda 21 in Einklang zu bringen sind, vermochte der OB nicht zu erklären.

Am 13.11. protestierten Schülerinnen und Schüler aus dem Norden Kiels gegen die geplante Verschiebung einer Schulsanierung in Pries-Friedrichsort. 4,7 Mio. DM waren ursprünglich für die Realschule Pries vorgesehen, Gansel will das Geld lieber an anderer Stelle ausgeben. Schulausschußvorsitzende Ingrid Jöhnk, aus Protest gegen Gansels Sozialkahlschlag aus der SPD-Fraktion zu den Grünen übergetreten, nahm Unterschriftenlisten gegen die erneute Verschiebung der Schulsanierung entgegen. Ca. 4.000 StadtteilbewohnerInnen unterstützen die Forderung der Schule mit ihrer Unterschrift.

Auch der Ortstermin des Bau- und Hauptauschusses der Stadt Kiel am 19.11. auf der Hörnbrücke verlief nicht planmäßig. Kurz nach Herunterlassen der Brücke besetzten Menschen aus dem Umfeld des „Aktionskreises soziale Unruhe“ die Klappbrücke, deren Kosten inflationär explodiert sind. Bei der einstündigen Besetzung mußten sich die Anwesenden, einschließlich OB Gansel, die Forderungen des Aktionskreises anhören. Zum Ende der Protestaktion regneten 5.000 Pfennige auf den OB nieder.

Gansel rupft den Haushalt – rupft Gansel

Einen Tag später „mußte“ Stadtpräsidentin Silke Reyer die letzte Ratsversammlung vor den Haushaltsberatungen unterbrechen. Der Anlaß: Gänsefedern regneten auf die Ratsherren und Ratsdamen nieder, als OB Gansel versuchte, die geplanten Kürzungen der Gelder für die versprochene Turnhalle an der Hans-Christian-Andersen-Schule zu „erklären“. Auf einem Transparent forderten Mitglieder des „Aktionskreises“, nicht den Haushalt, sondern Norbert Gansel zu „rupfen“. Gleichzeitig protestierten SchülerInnen und LehrerInnen der betroffenen Schule gegen Gansels Kürzungsvorschläge.

2,8 Millionen für die „Brücke Gaarden“

Dieser zeigte sich angesichts der andauernden Proteste unbeeindruckt. Es sei eben kein Geld da, ist Gansels einziges und ebenso falsches Argument. Noch vor kurzem leistete es sich der Rat der Stadt Kiel auf Anregung des OB und Kämmerers, eine millionenschwere Verpflichtungsermächtigung für eine weitere Brücke in den Haushalt einzustellen. Diese Querung, soll als Fortsetzung der Hörnbrücke den Übergang in das Gaardener Zentrum erleichtern. Am 21. August entschied sich die Ratsversammlung trotz entsprechender Einwände des Kämmerei- und Steueramtes, 2,8 Mio. DM in dieses Projekt zu investieren. Angesichts der Erfahrungen mit Brückenbauten in der Landeshauptstadt werden diese 2,8 Mio. DM – die im übrigen locker zur Deckung der Mittel für die zusammengestrichenen Projekte reichen – wohl nicht das letzte Wort sein. Noch im Frühsommer hieß es im Bauverwaltungsamt, daß die „Brücke Gaarden“ zwar wünschenswert, leider aber mittelfristig nicht finanzierbar sei. Das Modell Gansel macht's möglich.

Der vorläufig letzte Versuch, die SPD-Fraktion vor dem Sozialkürzungswahn des OB zu bewahren, fand am 22.11. statt. Vor dem Eingang der Sparkasse am Lorenzendamm stellte der „Aktionskreis“ eine improvisierte Suppenküche auf, um vor der dort stattfindenden Haushaltsklausur der SPD-Fraktion die Gansel-KritikerInnen in der SPD-Fraktion zu unterstützen. In einem offenen Brief an die Ratsmitglieder der SPD appellierte der „Aktionskreis“ noch einmal an das soziale Gewissen der SozialdemokratInnen. Dort heißt es:  „Sie haben die schwere Aufgabe, trotz angespannter Haushaltslage eine verantwortungsvolle Sozialpolitik der Stadt sicherzustellen.“ Weiter wird „eine Parteinahme für Menschen, die über wenig Geld verfügen und in Not geraten sind“, gefordert: „Verhindern Sie, daß die wirtschaftlichen und politischen Weichenstellungen der Bundesregierung widerstandslos auf kommunaler Ebene umgesetzt werden!“

SPD-Fraktion korrigiert Entwurf

Anscheinend scheint der Protest auf fruchtbaren Boden zu fallen. In der SPD-Fraktionsklausur wurden alle zur Streichung vorgeschlagenen Projekte wieder in den Haushalt hineingestimmt. Auch der Bau der Turnhalle in Gaarden scheint gesichert. „Wir haben unser Ziel, sozialdemokratische Akzente zu setzen, ohne das Defizit auszudehnen, erreicht, kommentierte Fraktionsvorsitzender Raupach die Kurskorrektur in einer Presseerklärung. Die Mehrausgaben für soziale Projekte sollen durch Minderausgaben bei der Sozialhilfe ausgeglichen werden. Dieser Posten, so Raupach, sei im Ganselschen Haushaltsentwurf viel zu hoch angesetzt. Insgesamt haben die SPD-Korrekturen ein Volumen von 1,9 Mio. DM, das ist weniger als 0,2% des gesamten Haushaltsvolumen.

Gleichwohl hinterläßt auch Gansels Sparwahn Spuren bei der SPD. So sollen die Mittel für einige freiwillige Leistungen der Stadt Kiel gegenüber dem 97er Haushalt radikal gekürzt werden. Raupachs Erklärung: „Das demonstrative Zeichen, das Norbert Gansel mit seinen radikalen Sparvorschlägen gesetzt hat, ist von uns verstanden worden: Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Unser demonstratives Zeichen ist genauso deutlich: Es ist nicht angemessen, bei den Frauen und bei den Behinderten überdurchschnittlich zu sparen.“

SPD-Kreisvorsitzender Rolf Fischer, in der Haushaltspolitik auf Gansels Seite, äußerte sich diplomatisch. Es sei richtig, daß die Fraktion mit sozialdemokratischer Handschrift Korrekturen anbringe. Weniger rücksichtsvoll kritisierte der schon vor der Haushaltsklausur säuerlich wirkende Oberbürgermeister die Entscheidung. Er hoffe, ließ Gansel von seinem Hausblatt KN berichten, daß er „bei der neuen SPD-Fraktion nach der Kommunalwahl mehr Unterstützung finden werde“.

Erst nach Redaktionsschluß (24.11.) trefen sich die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, um ihre Vorstellungen bezüglich des 98er Haushaltes abzustimmen. Die endgültige Entscheidung über den Haushalt fällt die Ratsversammlung in ihrer Dezember-Beratung am 11. und 12. Dezember. (usch)
 

Gansels Wunschhaushalt und die SPD-Korrekturen

• Frauenhaus: 97.000 DM (Sachkostenzuschuß 1997), Gansel-Entwurf 1998: 3.600 DM, SPD-Entwurf: 97.000 DM.
• Lotta e.V. (Jugendhilfeprojekt): 1.284.800 DM in 1997, Gansel-Entwurf 1998: 990.500 DM, SPD-Entwurf: 1.284.800 DM
• Frauennachttaxi: 325.000 DM 1997, Gansel-Entwurf 1998: 0 DM, SPD-Entwurf: 250.000 DM
• SeniorInnenticket: 106.700 DM in 1997, Gansel-Entwurf 1998: 0 DM, SPD-Entwurf: 65.000 DM
• Arbeitslosenticket: 1.080.000 DM in 1997, Gansel-Entwurf 1998: 0 DM, SPD-Entwurf: 800.000 DM
• Frauen/Lesben-Kultur: 15.000 DM in 1997, Gansel-Entwurf 1998: 0 DM, SPD-Entwurf: 13.500 DM
• Behindertenfahrten: 30.000 DM in 1997, Gansel-Entwurf 1998: 0 DM, SPD-Entwurf: 25.000 DM
• Interkulturelle Wochen: 35.000 DM in 1997, Gansel-Entwurf 98: 24.000 DM, SPD-Entwurf: ?
• Betreuungsstelle für Behinderte: ? DM in 1997, Gansel-Entwurf: 0 DM, SPD-Entwurf: 88.000 DM