Kommentar:

Beck-Messer & Milchmänner

5 Millionen Arbeitslose befürchtete laut Meldung in der letzten LinX der DGB für das nächste Jahr. Jetzt ist diese Befürchtung sozusagen regierungsamtlich. Wirtschaftsminister Rexrodt kommentierte entsprechende Prognosen von Wirtschaftsexperten mit einem lapidaren: „Das ist nicht auszuschließen.“ In einem ARD-Interview mochte er ob dieser Erkenntnis jedoch keinen Trübsal blasen. In atemberaubender Zahlenakrobatik log er in altbekannter Manier den Sermon von der bereits „durchschrittenen Talsohle“ herunter und behauptete gar, „im Durchschnitt“ werde die Arbeitslosigkeit „nicht steigen“. Wie er das errechnet haben will, bleibt im Dunkeln, oder ist er am Ende gar ein Anhänger der doppelten Statsbürgerschaft und will so die Bevölkerung um viele arbeitswillige MigrantInnen erhöhen, um den „Durchschnitt“ konstant zu halten?

Solche Milchmannrechnungen à la Tevje aus „Anatevka“ („Wenn ich einmal reich wär'„) macht Rexrodt aber wohl nur zur Beschwichtigung der Medien. Ihm dürfte das von seinem Kanzler geerbte Organ zum Aussitzen des Problems längst auf Grundeis gehen, wenn ihm seine Experten prophezeien, daß die 5 Millionen-Marke womöglich schon in einem harten Winter überschritten wird. Die Schuld freilich sucht er nicht bei der haarsträubenden Wirtschafts- und Sozialpolitik der Koalition, die Arbeitslosigkeit und Gewinne der KapitalistInnen in schönem Gleichschritt steigert. Nein, die SPD und ihre „Blockadepolitik“ bei der Steuerreform sei Schuld.

Daß die ausbleibende Steuerreform für das wachsende Heer der Erwerbslosen verantwortlich sei, meint übrigens auch der Wirtschaftsweise Rolf Peffekoven und beklagt im selben Atemzug die Investionsschwäche der Unternehmen. Schon mal darüber nachgedacht, daß nicht nur die momentane Steuerpolitik mit ihren schon bestehenden Vergünstigungen für Reiche, sondern mehr noch die von der SPD (noch) blockierte offenbar dazu anhält, die Gewinne zu scheffeln, an der Börse „wirtschaften“ zu lassen und auf Schweizer Bankkonten zu verfrachten, statt in so etwas Altmodisches wie Arbeitsplätze zu investieren?

Schröders SPD freilich ist nicht einfallsreicher, höchstens einfältiger. Zwar blockiert sie das große Steuerdesaster und lamentiert über die Erhöhung der Rentenbeiträge, wartet aber stattdessen mit Vorschlägen wie dem des Pfälzers Kurt Beck auf: 18 Prozent Mehrwertsteuer – eine Zeche, die alle bezahlen müssen, die bei den investitionsunwilligen Unternehmen aber allenfalls ein grimmes Lächeln des Durchlaufkassenverwalters erzeugen dürfte. (jm)