Staatlicher Mord, Folter und Vertreibung

Der Kosovo kommt nicht zur Ruhe

1.138 Menschen aus Restjugoslawien haben im August 1997 in Deutschland Asyl beantragt. Im laufenden Jahre waren es damit 8.868 Personen. Die größte Gruppe unter ihnen ist die der AlbanerInnen aus der ehemals autonomen Provinz Kosovo. Die albanische Bevölkerung ist in der ganzen Region weitverbreitet. Das überwiegend von AlbanerInnen bewohnte Gebiet umfaßt neben dem Staat Albanien Teile Westmazedoniens und Nordwestgriechenlands sowie die zu Restjugoslawien gehörenden Gebiete Ostmontenegro und Kosovo. Im Kosovo allein leben 2 Mio. AlbanerInnen.

Seit der Krieg in Bosnien durch das Dayton-Abkommen im Dezember 1995 vorläufig befriedet worden ist, hat die Repression der serbischen Sicherheits- und Polizeikräfte gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo wieder spürbar zugenommen. Razzien, Verhaftungen und Folterungen sind an der Tagesordnung. Auch werden Ermordungen und Fälle von „Verschwinden“ bekannt. In das Visir der Verfolger geraten albanische Oppositionsgruppen genauso wie nicht politisch organisierte Menschen. Ein Apartheid-System begünstigt die serbische Bevölkerung in den Verwaltungen, im Bildungsbetrieb, auf dem Arbeitsmarkt und hinsichtlich der sozialen Versorgung.

Die Wahlen in Serbien haben in den vergangenen Wochen gezeigt, daß zukünfig von Belgrad eher eine Verschärfung des Umgangs mit dem Kosovo-Konflikt, denn politische Arrangements zu erwarten sind. Der ultranationalistische Tschetnik-Führer Vojislav Seselj hat bei den jüngsten Wahlen nicht nur die anderen Oppositionsgrupen in den Schatten gestellt. Die großserbischen Träume Seseljs könnten eine bürgerkriegähnliche Eskalation des Konfliktes im Kosovo provozieren.

Die bundesdeutsche Innenpolitik zeigt sich von diesen Entwicklungen unbeeindruckt. Das am 1.12.1996 in Kraft getretene Rückführungsabkommen zwischen der BRD und Restjugoslawien betrifft etwa 135.000 Flüchtlinge, davon etwa 100.000 bis 120.000 AlbanerInnen aus dem Kosovo. Weil Belgrad die plötzliche Rückkehr aller KosovoalbanerInnen „nicht zugemutet werden sollte“, kam man überein, daß die Rückführungen gleichmäßig innerhalb einer Frist von drei Jahren zu erfolgen hätten, und zwar, wie es in Art. 2 Abs. 2 des Abkommens heißt, „unter voller Achtung der Menschenrechte und der Würde der zurückkehrenden Personen“. Bei der Vollstreckung der Abschiebungen wird allerdings nichts dem Zufall überlassen: Charterflugzeuge mit serbischem Personal und Sicherheitsbeamten überführen ihre menschliche Fracht und stellen bei Einreise den Zugriff durch die serbischen Verfolgungsorgane sicher.

Nicht nur die Vertretungen der Kosovo-AlbanerInnen, sondern auch zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Kirchen weisen mit Nachdruck darauf hin, daß aus Deutschland zurückkehrende Flüchtlinge von den serbischen Behörden ausführlich verhört, bestohlen, beleidigt, schikaniert und nicht selten schwer mißhandelt werden. Schon am Flughafen in Prishtina werde ein Großteil der abgeschobenen Personen nach politischen Aktivitäten in Deutschland befragt, sagt das Diakonische Werk Württemberg, und berichtet mehrere Dutzend Fälle von Folterungen, tagelangen Inhaftierungen und Sippenhaft nach der Rückkehr. (Pressemitteilung des Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.)