Zwangsarbeit – Gansel zieht durch!

Oberbürgermeister Norbert Gansel hat am 26.9. die Sozialdezernentin angewiesen, ein Konzept zu entwickeln, mit dem 30 NeuantragstellerInnen auf Sozialhilfe in den städtischen Ämtern und Betrieben ein Arbeitsangebot gegen 2 DM Mehraufwandsentschädigung pro Stunde gemacht wird (LinX berichtete). Dabei habe es sich, so Sozialdezernentin Bommelmann in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Bündnisgrünen, um eine mündliche Anweisung gehandelt, so daß der Wortlaut nur sinngemäß wiedergegeben werden könne. Die Beschäftigung habe „unter der Maßgabe zu erfolgen, daß die Hilfeempfänger bestehenden Arbeitseinheiten zugeordnet werden sollen und keine besonderen Anleitungs- und (sozialpädagogischen) Betreuungskosten entstehen“. „Es ist vorgesehen“, so Annegret Bommelmann, die selbst entschiedene Gegnerin der Zwangsarbeit ist, „die Arbeitsangebote vorrangig alleinstehenden Neuantragstellern und alleinstehenden Hilfeempfängern, denen es im letzten halben Jahr nicht gelungen ist, auf dem freien Markt eine Arbeit zu finden, anzubieten“.

Mit der Verweigerung von Anleitungs- und Betreuungskosten durch den OB entledigt sich die Kieler Maßnahme zur Zwangsarbeit jeglichen sozialpädagogischen Deckmäntelchens. Während z.B. in Lübeck – wenn auch kaum nachvollziehbar – argumentiert wird, daß die dortige Zwangsarbeit eine sozialpädagogische Funktion beinhalte und diese auch durch eine entsprechende Betreuung gewährleistet werde, zielt die Kieler Maßnahme unverganselt einzig und allein auf die Abschreckung potentieller SozialhilfebezieherInnen ab.

Dabei hat die Verwaltung schon ohne diese Maßnahme ganze Arbeit bei der Abwehr von Ansprüchen geleistet. Das Sozialamt prüft stets – so die Antwort auf eine kleine Anfrage –, „ob arbeitsfähige Hilfeempfänger sich auch ausreichend um Arbeit bemühen. Ist dies nicht der Fall, wird die Sozialhilfe gem. § 25 BSHG gekürzt und dann, wenn sich jemand weigert, zumutbare Arbeit aufzunehmen, auch eingestellt“. So wurde in den Monaten Mai bis Juli 1997 in 415 Fällen die Sozialhilfe wegen „fehlender Arbeitsbemühungen“ gekürzt, in 71 Fällen wurde die Hilfe ganz eingestellt.

Insgesamt 651 Neuanträge auf Sozialhilfe sind von Juni bis Oktober 97 abgelehnt worden. In 388 Fällen war ausreichendes Einkommen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Rente, Unterhalt, Erwerbseinkommen) die Ursache. In 263 Fällen führte der Hinweis auf die Arbeitspflicht, Verwertung des Vermögens u.a. dazu, daß der Antrag seitens der/s Antragstellenden nicht weiter verfolgt wurde.

Eine intensive Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen werde schon immer und auch weiterhin praktiziert, so Sozialdezernentin Bommelmann. Verlangt werde bei jedem Antrag eine regelmäßige Meldung beim Arbeitsamt und der Beleg eigener Arbeitsbemühungen, die durch die Vorlage von mindestens drei Bewerbungen monatlich nachgewiesen werden müssen. Darüber hinaus werde das Vermögen geprüft, das Vorhandensein eines PKW oder einer Lebensversicherung etc. Bei „begründeten Zweifeln“ an der Richtigkeit der Angaben werde der Allgemeine Sozialdienst informiert und gegebenenfalls der Vollzugs- und Ermittlungsdienst des Ordnungsamtes eingesetzt. (usch)