„Ein dickköpfiger, zuweilen störrischer Mann“

Abwahl von Stadtbaurat Otto Flagge scheiterte im Rat

Das Desaster mit der Hörnbrücke brachte für die CDU das Faß zum Überlaufen. Der Kopf des Stadtbaurats Dr. Otto Flagge sollte in der Ratsversammlung vom 12.12. rollen. Der Stadtbaurat war erkrankt und konnte sich daher nicht selbst verteidigen. Arne Wulff (CDU) mochte den Antrag dennoch nicht aussetzen und begann seine Antragsbegründung behelfsweise mit Genesungswünschen. Es gehe bei dem Abwahlantrag, so Wulff weiter, nicht darum, Flagges fachliche Qualifikation in Frage zu stellen. Auch seine Dienstpflichten habe Flagge nicht verletzt. Aber der Stadtbaurat genieße nicht mehr das Vertrauen der CDU. Er habe die Ratsversammlung „mehrfach brüskiert und sich selbstherrlich über sie hinweggesetzt“. Jüngstes Beispiel sei die Julisitzung des Bauausschusses. Dort habe Flagge auf die Frage nach einem Gutachten zur Hörnbrücke geantwortet, das Gutachten sei zwar gemäß Auftrag des Ausschusses eingeholt worden, der Antrag habe aber nicht beinhaltet, daß es dem Ausschuß auch vorgelegt werden solle. Insbesondere bei der Hörnbrücke habe der Stadtbaurat das Vertrauen „grob verspielt“. So sei die Ratsversammlung bewußt in Richtung auf eine Entscheidung zur 3-Feld-Klappbrücke gedrängt worden.

Auch in anderen Bereichen, so Wulff, habe sich der Stadtbaurat „traurige Höhepunkte“ geleistet. Kurz vor der Kieler Woche, bis in diese hinein, sei der Verkehrsversuch an der Andreas-Gayk-Straße gestartet worden (Anm. d. Red.: Fahrradspuren auf der Straße, die damit nur noch einspurig war, was zu Staus führte). Auch bei der Kritik an diesem Versuch habe sich Flagge „arrogant“ verhalten. Ihm sei es offenbar „völlig egal, was diese Laienspielschar hier beschließt“, kritisierte Wulff. Überdies sei Flagges Baupolitik für die Stadt „zutiefst imageschädigend“. Man brauche einen Stadtbaurat, der „den Anforderungen der Zeit“ – damit meinte Wulff wohl das Zeitalter der Deregulierung und Privatisierung, nicht zuletzt das der „freien Fahrt für freie Bürger“ –, jemanden der „nicht Ästhetik über knappe Mittel setzt“.

Zu den Kosten einer Entlassung Flagges in Höhe von rund 130.000 DM (Flagge würde drei Monate lang seine vollen Bezüge weiter erhalten, danach 75%), die SPD-Fraktionsvorsitzender Eckehard Raupach als ein Argument gegen die Entlassung Flagges ins Feld geführt hatte, sagte Wulff: „Das ist ein vergleichsweise geringer Betrag im Vergleich mit den Kosten von Flagges Fehlentscheidungen. Flagge ist der Stadt schon teuer genug zu stehen gekommen. Flagge im Amt kostet die Stadt täglich mehr als Flagge im Ruhestand.“

OB Norbert Gansel nahm seinen Stadtbaurat mit Verve in Schutz. Er wies auf den „unerträglichen“ Stil hin, daß „Abberufungen nur in Geld gemessen“ würden, und spielte damit auch auf Raupachs Argumentation an. Bei einem solchen Klima werde es schwierig, zukünftig qualifizierte BewerberInnen für so aufreibende Jobs wie den eines Stadtbaurats zu finden. Als Stadtbaurat stehe Flagge per se immer „zwischen Baum und Borke“ unterschiedlicher Interessengruppen. Flagge sei „ein dickköpfiger, zuweilen störrischer Mann“, was auch ihm die Zusammenarbeit mit Flagge manchmal schwer mache. Aber ohne diese Qualitäten wäre Flagge auch ohne seine Erfolge geblieben. Die grob aufgelistet würden bereits fünf Seiten füllen. Flagge sei ein Mann mit großen Verdiensten für die Stadt. Die hatte auch ein Solidaritätsschreiben aus Architektenkreisen Flagge bescheinigt, das vor allem Flagges städtebaulichen Maßnahmen lobte.

Lutz Oschmann hatte die schwierige Aufgabe, das differenzierte Abstimmungsverhalten der Grünen zu dem Abwahlantrag der CDU zu begründen. Immerhin könne sich die Ratsversammlung nicht aus der Verantwortung für die Hörnbrücke stehlen und dem Stadtbaurat die alleinige Schuld geben. Man habe um die Risiken gewußt, auch, daß es die teuerste Variante einer Hörnquerung sei. Jedoch wolle seine Fraktion kein endgültiges Urteil abgeben. Erst müßten sich im Betrieb der Hörnbrücke die Folgekosten durch Wartung und mögliches Nicht-Funktionieren herausstellen, bevor man Konsequenzen ziehen könne. In der Abstimmung gehörte Ulrich Kolbs Stimme zu den 21 Ja-Stimmen für die Abwahl. Die Grünen Rolf Kähler und Angelika Oschmann enthielten sich.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raupach relativierte – wohl auf Gansels Anwurf hin – seine Finanzargumentation (vgl. auch Bericht über die Hörnbrücke in dieser LinX). Der „seltsame Eindruck“ sei nur durch die verspätete Veröffentlichung der entsprechenden Pressemitteilung in den KN erst am 2.12. (die Pressemitteilung stammte vom 28.11., einen Tag nach dem Abwahlantrag der CDU) entstanden. „Wir haben Vertrauen zu Otto Flagge“, schloß er sein Plädoyer für den Stadtbaurat, über dessen „schlechte Informationspolitik“ freilich auch er und die Fraktion sich „oft geärgert“ hätten. Er werde nicht aufhören, „von Otto Flagge eine bessere Informationspolitik zu fordern“. Diese Ärgernisse seien aber kein hinreichender Grund für eine Abwahl. Vielmehr sei die CDU „opportunistisch“. 1993, als der Stadtbaurat populär gewesen sei, habe auch sie ihn im Amt bestätigt. Jetzt, wo er unpopulär geworden sei, springe sie „auf den Zug auf“.

33 Stimmen, eine 2/3-Mehrheit der gesetzlichen VertreterInnen, wäre nötig gewesen für eine Abwahl Flagges. Davon brachten CDU, SUK und ein versprengter Grüner allerdings nur 21 zusammen. So bleibt Flagge im Amt. Sicher keine ganz falsche Entscheidung, wenn man bedenkt, mit welcher Energie Flagge z.B. Busspuren, mehr Fahrradwege und Straßenrückbau gegen den heftigen Widerstand der Autolobby durchsetzte. Zumindest an diesem Verdienst ändert auch das offenbare Fehlverhalten in Sachen Hörnbrücke nichts. Und so muß man ausnahmsweise mal Norbert Gansel Recht geben: „Niemand wird in die Wüste geschickt, nur weil er unpopuläre Maßnahmen durchführt.“ (jm)