Kosmetische Korrekturen

Haushalt 1998 verabschiedet

39,7 Mio. DM Defizit: Mit dieser Zielvorgabe verabschiedete die rosa-grüne Regierungskoalition im Kieler Rat den Haushalt für das kommende Jahr. Während der Vermögenshaushalt mit Einnahmen und Ausgaben von knapp 210 Mio. DM (200.946.600 DM) ausgeglichen ist, klafft im Verwaltungshaushalt eine Lücke. Geplante Einnahmen von 1.086.360.000 DM stehen veranschlagten Ausgaben von 1.128.051.900 DM gegenüber. Ob sich das geplante Defizit doch noch verringern läßt oder ob es noch ansteigt, darüber läßt sich gegenwärtig noch kräftig streiten. Zu unsicher sind die Vermutungen in Hinblick auf die zu erwartenden Steuereinnahmen, mindestens ebenso unsicher ist die Prognose bei den Sozialausgaben, die vor allem von der Entwicklung auf dem „Arbeitsmarkt“ abhängen.

Schon vor den Haushaltsberatungen war Gansels Sparhaushalt Makulatur. Mit der sog. „Nachmeldeliste“ der Verwaltung vom 25.11. vergrößerte sich das geplante Gansel-Defizit von ca. 26,2 Mio. DM auf 40,4 Mio. DM. Hauptschuldige für diese rasante Defizitvermehrung ist eine neue Steuerschätzung, die Steuermindereinnahmen von 2,9 Mio. DM prognostiziert und veranschlagte Mindereinnahmen bei den „Allgemeinen Finanzzuweisungen“ von Bund und Land in Höhe von 11 Mio. DM verursacht. Überdies beantragte die Verwaltung kurzfristig vor den Haushaltsberatungen noch 1,2 Mio. DM für notwendige Sanierungsmaßnahmen im „Sozialzentrum Mitte“ (ehemaliges Arbeitsamt am Wilhelmplatz).

Die Senkung des nunmehr „verabschiedeten“ Defizites von 39.691.900 DM um 789.400 DM gegenüber dem letzten Ganselentwurf ist in erster Linie auf eine andere Interpretation der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben und weniger auf politische Weichenstellungen zurückzuführen.

Verwaltungshaushalt

Die Ausgabenerhöhung der „Regierungskoalition“ gegenüber den Vorstellungen des OB liegen bei ganzen 1.426.200 DM oder gut 0,1 Prozent. Dagegen sind dort Einsparungen in Höhe von 597.000 DM vorgesehen, vor allem durch eine andere Einschätzung der Entwicklung bei den Sozialhilfekosten. Einnahmeseitig erhoffen sich die rosa-grünen Koalitionäre Erhöhungen von 680.000 DM (netto) gegenüber dem Gansel-Entwurf.

Vermögenshaushalt

Im Vermögenshaushalt gab es eine Netto-Umschichtung (abzüglich der Zuschüsse seitens des Landes, des Bundes und der EU) von insgesamt 1.989.500 DM für zumeist bauliche Veränderungen. Dem stehen Ausgabenreduzierungen von 2.434.400 DM im Vermögenshaushalt gegenüber.

Schulden

Die geplante Kreditaufnahme der Landeshauptstadt Kiel liegt für das Jahr 1998 bei ca. 72 Mio. DM. Damit steigen die Schulden der Stadt auf etwas über 935 Mio. DM. Im kommenden Jahr müssen 89,9 Mio. DM für den Schuldendienst ausgegeben werden, davon entfallen ca. 35.5 Mio. DM auf die Tilgung.

Haushaltsrisiken

Einnahmen und Ausgaben können bei der Beratung eines Haushaltes nicht exakt vorhergesehen werden. Deshalb birgt ein Haushalt immer auch Risiken bezüglich der tatsächlichen Kostenentwicklung. Es erstaunt allerdings schon, wenn (wieder einmal) eine Tarifsteigerung bei den Personalausgaben nicht eingerechnet worden ist. „Notwendig werdende Korrekturen sind gegebenenfalls in einem Nachtragshaushalt vorzunehmen“, so OB Gansel im Vorbericht zum Haushaltsplan. Zusätzliche Risiken birgt der Haushalt in den Sozial- und Jugendhilfeausgaben, bei der Defizitentwicklung im Städtischen Krankenhaus und der Entwicklung der Betreuungs- und Pflegedienste, beim Abfallwirtschaftsbetrieb und bei der letzmaligen Defizitabdeckung für die ausgegliederte Seehafen Kiel GmbH, mit der es auch noch Auseinandersetzungen um Grundstücksfragen im Zusammenhang mit der Hörnsanierung gibt.

Die wichtigsten Korrekturen der rosa-grünen Koalition

Im Einzelplan 0 (Allgemeine Verwaltung) gibt es nur kosmetische Korrekturen. So wurden beispielsweise die Kürzungen für Veranstaltungen im städtischen Referat für AusländerInnen verringert. Statt 24.000 DM stehen jetzt 28.000 DM zur Verfügung. Trotzdem bedeutet dies ein Minus von 7.600 DM im Verhältnis zum letzten Jahr. Im Vermögenshaushalt wurde vor allem die Einführung von EDV-Verfahren auf die kommenden Jahre verschoben.

Im Einzelplan 1 (Öffentliche Sicherheit und Ordnung) – zu dem u.a. auch das Umweltschutzamt, Feuerwehr und Rettungsdienst gehören – ist eine zusätzlich geplante Einnahme von 200.000 DM beim Posten „Verwarnungs-, Buß- u. Zwangsgelder“ zu vermelden. Im Vermögenshaushalt wurden Modernisierungsmaßnahmen bei der Feuerwehr (Haupt- und Ostwache) gestreckt.

Der erste Konflikt mit dem OB wurde im Einzelplan 2 (Schulen) ausgefochten. Die rosa-grüne Koalition setzte zusätzliche Mittel für den Bau der Sporthalle in Gaarden (550.000 DM netto = Gesamtausgaben abzüglich Erstattungen von EU, Bund oder Land) und für die Realschule Pries (350.000 DM netto) durch. Außerdem wurden noch 70.000 DM für die Förderung der Betreuten Grundschule und 37.000 DM für das „Kommunale Öko-Audit an der IGF“ in den Haushalt eingestellt. Albrecht Kempe (SPD) stellte klar, daß nunmehr die Renovierung der Realschule in Pries und der Sporthalle in Gaarden angegangen werden könne. Klaus Tank (Bündnisgrüne) begründete die Entscheidungen mit vorherigen Ratsbeschlüssen: „Wir stehen im Wort!“ Seine Fraktionskollegin Ingrid Jöhnck verwies darauf, daß trotz des geringeren Haushaltsansatzes an der „Zweifeldhalle“ in Gaarden festgehalten werde. Beim Thema „Betreute Grundschule“ herrschte fraktionsübergreifende Einigkeit. Selbst die Sparkommissare von der SUK unterstützten den entsprechenden Antrag.

Im Einzelhaushalt 3 (Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege) korrigierte die Ratsversammlung die Streichung des Zuschusses für die FrauenLesbenKulturtage. Allerdings wurden nur 13.500 DM und damit 1.500 DM weniger als 1997 genehmigt. Auch die Kürzungen für Veranstaltungen in der Stadtgalerie wurden teilweise zurückgenommen. Gansel wollte den Etat von 86.000 DM auf 68.800 DM kürzen. Nunmehr stehen immerhin 80.000 DM zur Verfügung. Übrigens sprachen sich die SUK und die CDU für weitere Kürzungen im Kulturbereich aus. Vor allem der Zuschuß an den Verein Hansastr. 48 e.V. war den Rechten ein Dorn im Auge. Aber auch der Kulturladen Leuchtturm in Friedrichsort hätte nach Ansicht der CDU mit 10.000 DM weniger auskommen müssen.

Sparen beim Sozialen

Besonders umstritten war der Einzelhaushalt 4 (Soziale Sicherung). In diesem Haushalt finden sich die meisten sog. „freiwilligen Leistungen“ der Stadt Kiel, bei denen OB Gansel sein Sparexempel statuieren wollte. „Gansels Sparbemühungen“ beim Arbeitslosenticket, dem SeniorInnenpaß, dem Frauenhaus, dem Projekt Autonomes Mädchenhaus, dem Not-und Fahrdienst für Behinderte und bei der Werk- und Betreuungsstätte für Behinderte hätten im Haushalt insgesamt zu Einsparungen von 1.707.400 DM geführt. Die Ratsversammlung stimmte 1.065.700 DM der gestrichenen Mittel wieder in den Haushalt hinein. Allerdings bekamen 500.000 DM für das „Projekt Autonomes Mädchenhaus“ einen rosa-grünen Sperrvermerk verpaßt. Vor allem beim Arbeitslosenticket (- 580.000 DM) und beim SeniorInnenpaß (- 41.700 DM) hinterläßt Sparkommissar Gansel sichtbare Spuren. Der BezieherInnenkreis von beiden städtischen Leistungen soll rapide eingeschränkt werden. Auch die Werk- und Betreuungsstätte für Behinderte (- 15.000 DM) bleibt überproportional von Kürzungen betroffen. Zusätzliche Mittel für die Betreuung Nichtseßhafter (50.000 DM) und die Wiedereinstellung von 30.000 DM für das behindertengerechte Absenken von Bordsteinen können die unsoziale Schieflage nicht kaschieren.

Vor allem in der Debatte um diesen Einzelhaushalt zeigte sich, daß der SPD-Fraktion neoliberale Denkmuster nicht mehr gänzlich fremd sind. So wendete sich Birgit Stöcken, immerhin sozialpolitische Sprecherin der SPD, gegen „Denkverbote, um den Mißbrauch (von Sozialleistungen) einzuschränken“. Generell sei es die Politik der SPD-Fraktion, alle Leistungen zu überprüfen. Wie Eckehard Raupach (Fraktionsvorsitzender der SPD) in der Debatte um diesen Einzelhaushalt zu seiner These kommt, daß der „Haushaltsansatz 97 ... auch der Haushaltsansatz 98 ist“, bleibt angesichts dieser Zahlen sein Geheimnis.

Dagegen stellt sich die Lage im Einzelhaushalt 5 (Gesundheit) nicht ganz so prekär dar. Insgesamt 108.400 DM konnten zusätzlich in den Haushalt eingestellt werden, u.a. 56.400 DM für donna klara e.V. (Suchtberatung, psychosoziale Betreuung und Arbeit für lesbische Frauen), 18.500 DM für das Kieler Fenster, 13.000 DM für die Arbeit der Stadtmission mit Spielsüchtigen und 10.000 DM für den Drogenbus auf dem Ostufer.

In den Einzelhaushalten 6 (Bau- und Wohnungswesen, Verkehr), 7 (Öffentliche Einrichtungen, Verkehr), 8 (Wirtschaftliche Unternehmen, Allgemeines Grund- und Sondervermögen) und 9 (Allgemeine Finanzwirtschaft) gab es haushaltsrelevante Ausgabenerhöhungen vor allem beim Ausbau des Radwegenetzes (+ 850.000 DM netto) und beim Umbau von Haltestellen für Niederflurbusse (+ 100.000 DM netto) (usch)