JACEK WESOLOWSKIs „Merry Christmas”

Schwarze Weihnacht

„Merry Christmas” wünscht Jacek Wesolowskis am 7.12. eröffnete Ausstellung in der Galerie im Lutterbeker. Doch der weihnachtliche Gruß vom in der Mitte aufgebauten „Gabentisch” kommt nicht von heiligbeschienenen Christkindern. Wesolowskis Puppenköpfe, die aus beinahe jedem der ausgestellten Werke den Betrachter anschauen, sind zwar puttenhaft niedlich, aber sie sind aus schwermütigem Blei und ruhen auch nicht im warmen Schoß der Maria, sondern, so bei der Skulptur mit dem sprechenden Titel „G.E.Schoß”, auf dem Sockel einer Patronenhülse. Keine Krippe bietet den zerbrechlichen Kindsgestalten Schutz, sie stehen stumm inmitten einer Mausefalle kurz vor dem Zuschnappen. Und die verrät mit großem Aufdruck auch ihre Herkunft: „Made in Germany”.

Wer dabei in deutlichem Gegensatz zur schmuseweichen deutschen Weihnacht dunklere, ebenso deutsche Zeiten assoziiert, liegt richtig. Wesolowskis Collagen und Assemblagen an den Wänden zeigen Puppenfriedhöfe mit herausgerissenen oder entstellt verrenkten Gliedmaßen, und auf dem Bauch einer Christkindsleiche prangt statt des Weihnachtssterns groß der Judenstern – wenn auch in Grün, statt Gelb.

Wesolowskis Advent enthüllt sich dem Betrachter spontan: Statt weißer Weihnacht schwarzer Humor. Ja, Humor, denn seine Mahnung kommt ohne die Betroffenheit daher, die der deutsche Mensch in der Jahreszeit der Volkstrauertage so fleißig und gerne entbietet. Wesolowskis „Denk-Male” sind wörtlich zu nehmen, beißende Ironie macht sie zu einer scharfen Waffe gegen das, was aus dem „immer noch fruchtbaren Schoß” (Brecht) kriecht. „Wir haben 30-40 allerdings nette junge Leute, und alle zusammen sind sie eine Meute. In größerem Ausmaß waren das 80 Millionen Deutsche, in der überwiegenden Mehrheit anständige Leute, die als Ganzes halb Europa verwüstet haben”, schrieb der 1943 im besetzten Polen geborene Wesolowski im Dezember 1993 in sein „TAGE-BUCH”.

Jenen „anständigen Leuten” präsentiert er nun seine Spielzeuge des Grauens, die allesamt dem „TAGE-BUCH” entnommen sind, einer Art Archiv, aus dem er Ausstellungsort und -zeit angemessene Werke immer wieder neu zusammenstellt. Ausstellungen seien für ihn keine Ansammlung von Exponaten, sondern ein Gesamtkunstwerk. Auch zwischen den Genres wandelt der weihnachtliche Warner dabei nach Belieben – jedoch nicht beliebig. „Wenn zum Beispiel in einer Kneipe wie hier jemand was Originelles macht, dann ist das schon eine Performance”, sagt er. Und so durften sich die Vernissagegäste aus dem Stroh einer Krippe kleine Flohmarktartikel angeln. Kunst zum Anfassen, die auch das dieser Tage verbreitete Julgeklapper aufs nach-denkenswerte Korn nahm. (jm)

Jacek Wesolowski: „Merry Christmas”, Galerie im Lutterbeker. Tägl. (außer Mo.) 18-21 Uhr (bis 11. Januar).