Internet-Installation von JAN KOPP in der Muthesius-Hochschule

Virtuelles Vexierbild

Stellen Sie sich vor, aus einem Paßbild-Automaten kommt nicht Ihr Bild, sondern daß einer anderen Person. Ärgerlich? Bei Jan Kopps Paßfoto-Koffer, der zur Zeit im Foyer der Muthesius-Hochschule zu benutzen ist, brauchen Sie keinen Service-Techniker zu rufen, denn das „falsche” Bild gehört zum Konzept.

„Perfectly Strange” heißt das Projekt des 27jährigen Künstlers, das auf amüsante, aber auch tiefsinnige Weise mit dem Fetisch Identität und der Angst vor deren Auflösung spielt. Wer sich in dem einem ganz gewöhnlichen Fotoautomaten sehr ähnlichen mobilen Container fotografieren läßt, löst einen Austausch von Bildern via Internet mit zwei gleichen Automaten aus, die im Futuroscope der Stadt Poitiers und dem Cyber Center in Strasbourg installiert sind. Während dem Abgelichteten in Kiel sein Konterfei für immer verloren geht, erhält er das Portrait eines völlig Fremden, der oder die sich gerade am anderen Ende der Internetleitung hat fotografieren lassen.

Das Paßfoto ist die – wenn man so will, amtliche – Inkarnation der Identität. Die wird von Kopp radikal demontiert, denn das Bild, das sein Automat ausspuckt, ist für den „Passport”-Zweck nicht mehr brauchbar. Hinzu kommt das Flair des Digitalen. Keine laut klackende Kamera sieht den Benutzer an, sondern nur ein kleines digitales Auge, das Klicken erzeugt der Computer als künstlichen Sound. Und dann nomadisiert das Bild im Internet, welchem man nachsagt, daß es das Individuum in der Virtualität des Datenrauschens verschwinden läßt.

Auch darauf nimmt Kopps Installation Bezug, wenn auch nicht in der Form eines platten Kultur- und Medienpessimismus. Die Tatsache, daß man statt des Abbildes seiner selbst das eines Fremden erhält, erzeuge auch wieder eine Form von Nähe und Kommunikation, so Hubertus von Amelunxen, Intendant des Forums der Muthesius-Hochschule, in einer Einführung zur Ausstellung. Das Fremde diene zur Neuverortung des Selbst. Hier werde ein durchaus positiver Aspekt der neuen, vermeintlich die Identität zerstörenden Medien deutlich.

Für diese These spricht, daß Kopps Apparat die Gäste der Ausstellungseröffnung spontan zum Spielen und Ausprobieren anregte. So kann man z.B. seinen Namen auf das erhaltene Foto des Fremden schreiben und es mit Tesafilm an die Wand des Ausstellungsraums kleben. Plötzlich wird die Sache surreal, ein wenig wie René Magrittes „Ceci n’est pas une pipe”, das Bild einer Pfeife unter dem obiger Satz das Gegenteil behauptet. „Dies ist keine ...”, „Das bin ich – nicht?” Identität wird zur Variablen, zeigt ihre Virtualität und ihre Konstruiertheit.

Noch bis zum 22.12. kann man im Foyer der Muthesius-Hochschule (Eingang Brunswiker Straße) an Kopps intelligentem Vexierspiel teilnehmen. Dann wird der Automat selbst weiter „nomadisieren”, wie er es seit April tut, als das Projekt mit einer Verbindung Tokio-Paris startete. Als weiteres, auf Kopps Installation Bezug nehmendes Exponat ist der Entwurf einer „Multimediabox” von Uwe Hellwig zu sehen. Auch diesem Werk geht es um die „Verortung in der virtuellen Welt” und den mit den neuen Medien leicht gewordenen „Maßstabssprung zwischen Mikro- und Makrokosmos”. (jm)

Weitere Infos über „Perfectly Strange” im Internet unter http://www.icono.org/kopp/perfect.htm.