Fast 10.000 Wohnungen vor dem Verkauf

Das zur Preussag gehörende Kieler Immobilienunternehmen KWW will nach eigenen Angaben 2.300 Wohnungen in Gaarden verkaufen. Entgegen den Beteuerungen des Untermehmens wird es dabei nicht bleiben - vom geplanten Verkauf aller 9.400 Wohnungen der KWW in Kiel ist auszugehen. Die Empörung unter den Gaardener MieterInnen ist groß, ebenso die Verbitterung über den im Falle eines Verkaufs vorhersehbaren Abbau der allermeisten der bei der KWW zur Zeit noch bestehenden 93 Arbeitsplätze. Eine MieterInneninitiative hat sich zum Ziel gesetzt, den Protest gegen den Verkauf öffentlich sichtbar zu machen und zur Wahrung der Interessen aller Betroffenen beizutragen, auch für den Fall, daß sich der Verkauf nicht verhindern läßt.

Über weitere Entwicklungen in diesem Zusammenhang, die sich nach Redaktionsschluß dieser Zeitung (21.4.) ergeben haben, dürften viele aus der Tagespresse oder aus Flugblättern erfahren haben.

Ein ganz normaler Geschäftsvorgang?

Wenn ein Industrieunternehmen im Zuge der Zentralisation aller seiner Immobiliengeschäfte in einer neuen Immobilien GmbH - im Falle der Preussag vorbereitet durch die Wegnahme der Kieler Werkswohnungen von HDW Kiel im letzten Jahr - einen ganzen Stadtteil verkaufen will, dann braucht man nicht mehr darauf zu warten, daß die Wohnungen Spekulanten in die Hände fallen. Dann hat sich der bisherige Eigentümer als Spekulant im großen Stil bloßgestellt. Da hilft der Hinweis auf  früher „bewiesene soziale Verantwortung“, wie sie der KWW von der Kieler SPD bescheinigt wird, auch nicht mehr. Der Vorgang macht vielmehr deutlich, daß die Kapitalisten in diesem Land immer dreister dazu stehen, daß für sie eine Sozialverpflichtung von Eigentum nicht gegeben ist, daß Profitmaximierung über alles geht - und daß sie glauben, die Menschen in diesem Land hätten ihre Widerstandskraft bereits so gründlich verloren, daß nun auch der Schein kaum noch gewahrt werden muß. Da werden dann auch Wohnungen verscheuert wie Kartoffeln, wenn die Besitzer hoffen, ihr Vermögen anderswo gewinnbringender einsetzen zu können. Diese Besitzverhältnisse sind denn auch das eigentliche Grundübel.

Aktuell notwendig ist es in Kiel, deutlich zu machen, daß sich MieterInnen und Beschäftigte der KWW gemeinsam des Skandals bewußt und nicht bereit sind, ihn unwidersprochen hinzunehmen. Nur das kann den Preussag-Konzern, wie jeden beliebigen anderen, beeindrucken. Nur das kann Positionen sichern auch für den gewiß nicht unwahrscheinlichen Fall, daß die Preussag bereits Käufer gefunden hat und die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge hinwegtäuscht. Wir brauchen dabei Unterstützung durch die Gewerkschaften - nicht zuletzt die IG Metall, auch wenn die KWW keine HDW-Tochter mehr ist.

Auch die politischen Parteien müssen Farbe bekennen. In Ablehnung eines Dringlichkeitsantrags zur Kieler Ratsversammlung, der von der SPD am 17.4. eingebracht und mit den Stimmen der Sozialdemokraten und der Grünen verabschiedet wurde, haben die SUK und die CDU ihre Kumpanei mit den Wohnungsspekulanten bereits bekannt. Für den CDU-Mann Moriz ist das Ganze „ein ganz normaler Geschäftsvorgang“. Dafür haben wir schließlich eine Marktwirtschaft, daß alles unter Profitgesichtspunkten käuflich und verkäuflich ist - Kartoffeln, Wohnungen, Abgeordnetenstimmen ...

SPD und Grüne haben die Stadtverwaltung u.a. aufgefordert, „Alternativen zu ortsfremden Investoren bzw. Ausgründungen zu erörtern und auf die korrekte Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Mieterinnen und Mietern und der sozialen Veranwortung gegenüber den Stadtteilen durch die Eigentümer zu drängen“. (Von den KWW-Beschäftigten ist in dem Antrag nicht die Rede.) Gerade in Gaarden erwarten immer noch viele Menschen, daß die SPD ihnen tatkräftig zur Seite steht. Die Hauptsache ist mit Sicherheit, daß sich die Betroffenen selbst direkt für das konkrete Anliegen organisieren und die Angelegenheit nicht delegieren. Und nicht auf die Ratschläge zur „Mäßigung“ hören, wie sie etwa von Norbert Gansel kamen, der sich auf einer Versammlung in der vollbesetzten Räucherei am 17.4. - schon ganz in der Rolle des künftigen Oberbürgermeisters - zum natürlichen Vertreter der MieterInnen aufschwang und mahnte, man möge daran denken, daß er der Preussag gegenüber „gesprächsfähig“ bleiben müsse, und das nicht durch „unhaltbare Forderungen“ gefährden dürfe. Man sieht: Gansel selbst braucht Druck von unten wie jeder Politiker. Entwickeln wir diesen Druck gemeinsam.