Bonner Initiative für „Sozialdetektive“ stößt in Kiel auf Zustimmung.

Modellprojekt für Abschaffung der Sozialhilfe?

Die Absicht, SozialhilfeempfängerInnen als „Sozialbetrüger“ und Arbeitsunwillige abzustempeln, die Politiker der Bonner Koalition mit ihrem Ruf nach „Sozialdetektiven“ zum wiederholten Male verfolgen, wurde in der Ausgabe des Anzeigenblattes „Kieler Express“ vom 12.4. bereitwillig aufgenommen. Unter der Überschrift „Sozialhilfemißbrauch - Betrüger im Visier“ und der Zwischenüberschrift „Schwarze Schafe aussortieren“ macht das Blatt, das flächendeckend an Kieler Haushalte verteilt wird, gegen die Hilfsbedürftigen mobil.

Von „Kostenexplosion“ in den Sozialämtern ist da die Rede: Gegenüber 1991 hätten sich die Ausgaben für die derzeit 19.000 Kieler Hilfeempfänger verdoppelt, ebenso im Kreis Plön. Dort würden bereits seit 3 Jahren „Sozialdetektive“ eingesetzt, die 280 Mißbrauchsfälle mit einem Volumen von insgesamt 160.000 DM aufgedeckt hätten. Das Kieler Sozialamt halte allerdings aus Kostengründen nichts von dieser Methode, ein Mitarbeiter im Ermittlungsdienst koste allein 80.000 DM brutto pro Jahr.

In Kiel wird auf andere Weise spioniert. So erkundigt sich das Sozialamt z.B. bei der Zulassungsstelle, ob SozialhilfeempfängerInnen ein Auto angemeldet haben - eine Vorgehensweise, die der Landesdatenschutzbeauftragte als Verstoß gegen den Datenschutz kritisiert hat.

Um den angeblichen Mißbrauch von Sozialhilfe einzudämmen, setzt der Leiter des Kieler Sozialamtes, Lentzsch, auf ein Modellprojekt: Rund 2.000 SozialhilfeempfängerInnen sollen persönlich aufgesucht und „intensiv beraten“, d.h. aufgefordert werden, sich Arbeit zu suchen. Der „Kieler Express“ zitiert Lentzsch ausführlich und malt mit seinen Worten das Bild des Parasiten („Immer mehr Menschen kassieren.“), der ans „Nichtstun gewöhnt“ ist, „in den Tag hinein lebt“, ein Zustand, der „pathologisch“ sei. Daß nur eine Handvoll der 19.000 Kieler SozialhilfeempfängerInnen so leben, daß dem Staat weit größere Summen durch Steuerhinterziehung verloren gehen, bleibt unerwähnt, sowohl bei Lentzsch als auch in der „Berichterstattung“ des „Kieler Express“.

Unter dem Vorwand des „Beratungsgesprächs“ macht sich Lentzsch zur Speerspitze der Bonner Sozialsparschweine und hat im „Kieler Express“ einen willigen Zuhörer und Nachplapperer: „Im Gegenzug zu unserer Beratung und Hilfe werden wir die Hilfeempfänger auch zu etwas verpflichten. Zum Beispiel müssen sie tatsächlich ein Praktikum oder eine Fortbildung machen oder sich einen Arbeitsplatz suchen. Wenn sie sich widersetzen, hat das Konsequenzen. Wir werden dann die Sozialhilfe kürzen, zunächst um 25% - bis hin zur Einstellung der Hilfeleistung.“

Damit ist die Absicht des Kieler Modellprojektes, dem im Mai der Kieler Rat zustimmen soll, klar: Über „Beratungsgespräche“ werden sich zwar keine Arbeitsplätze schaffen lassen, aber die Stadtverwaltung wird dann eine Handhabe haben, die Sozialhilfe durch die Hintertür faktisch abzuschaffen.