Reich und arm - Boom und Krise

„Bedrohliches Finanzloch“ titelten die „Kieler Nachrichten“ Mitte April zur Situation des Landes-Haushaltes. Dem Land bleibe keine andere Möglichkeit, als zu sparen. Eine Haushaltssperre wurde inzwischen ausgesprochen. Wie soll es weitergehen?

Die „Fünf Weisen“ der Wirtschaftsinstitute sind sich einig: Wenn nichts geschieht, wird die Bundesrepublik die Maastricht-Kriterien verfehlen. Für den Bundeshaushalt werden Haushaltssperre und ein Sparpaket nach dem anderen diskutiert. Scheitere die Europäische Währungsunion zum festgelegten Zeitpunkt, sei ein Desaster kaum noch abwendbar.

Auf der anderen Seite steigt die Zahl der Arbeitslosen immer weiter und nähert sich selbst nach offizieller Lesart der 5-Millionen-Grenze. Gleichzeitig boomt die Börse. Die Ertragslage der Kapitalisten ist so gut wie lange nicht, und die BRD-Konzerne erhöhen die Zahl der im Ausland Beschäftigten kontinuierlich, allein von 1992 bis 1994 um 237.000 Personen.

Schuld daran seien die „übertriebenen“ Ansprüche der Arbeiter und Angestellten, die den „Standort Deutschland“ gefährden.

Die Rendite muß stimmen

Wie man in früheren Zeiten Kindern mit dem „schwarzen Mann“ gedroht hat, so versucht man uns heute mit dem „internationalen Wettbewerb“ einzuschüchtern. Glaubt man den Beteuerungen von Bundesregierung und Unternehmerverbänden, sind sie die letzten, die den Sozialstaat abschaffen wollten. Doch leider könnten wir es uns nicht aussuchen, so diese Herren.

Daher verlangen sie eine Umorganisation der Gesellschaft nach der Devise: „Die Rendite muß stimmen!“, damit die deutschen Konzerne sich im internationalen Konkurrenzkampf durchsetzen können.

Es wird also ordentlich auf die Löhne gedrückt und verlangt, daß die „Lohnnebenkosten“ abgebaut und „die Betriebe steuerlich entlastet“ werden. Als sei das nicht genug, wird ein zunehmender Anteil der Investitionen in die Rationalisierung gesteckt. Neue Technologien werden angeschafft um die Produktivität zu steigern und die Arbeit zu verdichten. Und damit sich das auch richtig lohnt, soll länger gearbeitet werden! Die teuren neuen Maschinen müssen so lange wie möglich laufen. Wer nicht mithält, krank wird oder alt, wird gefeuert.

Natürlich ist diese Politik keine deutsche Spezialität. In allen westlichen Ländern läuft derzeit die gleiche Lohndrückerei ab, werden Sozialleistungen zusammengestrichen und Gerwerkschaftsrechte abgebaut. Da liegt es auf der Hand, was passiert, wenn wir dem Druck der Unternehmer nachgeben: Sie werden noch frecher, und ihre Konkurrenten in anderen Ländern werden mit dem Verweis auf Deutschland den Druck auf „ihre“ Beschäftigten erhöhen.

Ein Teufelskreis!! - Offensichtlich! Es wundert, daß immer noch so viele auf das Standort-Gerede hereinfallen, anstatt branchen- und grenzenübergreifende Konzepte der Gegenwehr zu diskutieren.

Brutale Umorganisierung der Gesellschaft

Die Unternehmer geben sich nicht mit Lohndrückerei zufrieden: Wir sind ihnen nicht flexibel genug! Die KN rühmte unlängst: „Im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigung hat Holland etwa doppelt so viele Teilzeitstellen und befristete Arbeitskontrakte wie Deutschland. Damit verbunden ist eine bedeutend längere Maschinenlaufzeit.“ So hätte man es auch hierzulande gerne: „Hire and fire“ und Arbeitnehmer, die zuhause sitzen und auf einen Anruf vom Chef warten, daß sie gebraucht werden. Der Zeitungsbericht läßt aber auch die Folgen erahnen: „Ebenso wie in den USA sind viele der neu geschaffenen Jobs schlecht bezahlt und sozial nicht abgesichert.“

Mehr dauerhaft Beschäftigte gibt es so natürlich nicht. Im Gegenteil, die Zahl der Sozialpflichtversicherten sinkt noch schneller. Vor allem sinkt die Lohnsumme. Und weil das Geld der öffentlichen Haushalte zum allergrößten Teil (und das der Sozialversicherungen vollständig) vom Lohn und Gehalt abgezogen wird, muß diese Politik die Haushaltskrise verschärfen und die Versicherungssyteme zusätzlich gefährden. Wir werden also dreifach bezahlen dürfen für eine derartige „Arbeitsmarktpolitik“: mit schlechteren Arbeitsbedingungen, niedrigeren Löhnen und Gehältern sowie weiteren Kürzungen bei den sozialen Leistungen.