Internationales

Regierungswechsel in Südkorea

Aus den südkoreanischen Präsidentschaftswahlen ging am 18.12. Kim Dae-jung als Sieger hervor. Im vierten Anlauf schaffte der langjährige Oppositionspolitiker den Einzug in das Blaue Haus, den Cheong Wha Dae, wie die Koreaner den Präsidentensitz nennen. Mit 40,3% lag er nur 1,6% vor seinem stärksten Konkurrenten Lee Hoi-chang, Repräsentant des bisherigen Regierungslagers. In Südkorea reicht die einfache Mehrheit um das mit großer Macht ausgestattete Präsidentenamt zu erlangen.

Kim Dae-jung

 Kim hatte bereits 1971 den damaligen Militärdiktator Park in einer Wahl erfolglos herausgefordert. Anfang der 80er wurde er zum Tode verurteilt und erst nach Intervention der US-Regierung begnadigt. Nachdem 1987 massive Proteste von Arbeitern und Studenten zu einer zaghaften Demokratisierung führten, unterlag er in Wahlen zweimal der mit dem alten Regime verbundenen Regierungspartei. Die jahrzehntelange Militärdiktatur hat in Südkorea einen extremen Regionalismus hinterlassen, den sich die erz-konservativen Nachfolger der Militärs zu Nutze machten. Sie konnten auch bei den diesjährigen Wahlen auf die große Mehrheit der Stimmen im durch Vetternwirtschaft und einseitige Bevorzugung industrialisierten Südosten zählen.

Auch diesmal war das Ergebnis daher denkbar knapp. Lee Hoi-chang, kam auf 38,7% der Stimmen. Dafür mußte er sich allerdings vom abgewirtschafteten Noch-Präsidenten Kim Young-sam distanzieren, dem in der Öffentlichkeit die Schuld an der gegenwärtigen Krise zugeschoben wird. Erst kürzlich mußte der Internationale Währungsfond dem Land mit einem Rekordkredit in Höhe von fast 60 Mrd. Dollar unter die Arme greifen.

Zum Verhängnis wurde Lee, daß ihm mit Rhee In-je ein Gegner im eigenen Lager erwachsen war. Im parteiinternen Machtkampf unterlegen hatte dieser kurzerhand seine eigene Partei gegründet und immerhin 19,2% der Stimmen auf sich vereinigt. Wie Lee wurde er vor allem im Südosten gewählt und schwächte damit das bisherige Regierungslager entscheidend.

Viele Oppositionelle, die ähnlich Kim in den 70ern und 80ern gegen die verschiedenen Militärdiktatoren gekämpft haben, hoffen, daß der Wahlsieger jetzt den Wandel bringt und die alten Strukturen aufbricht. Nach der Niederlage, so die Erwartungen, könnte die Regierungspartei endgültig zerfallen und der Regionalismus aufgeweicht werden. Offen ist allerdings, ob Kim tatsächlich, wie versprochen, dem Parlament mehr Gewicht geben wird. Bisher bestimmt z.B. der Präsident alleine über die Besetzung von ca. 30.000 Posten.

Um die Wahl gewinnen zu können, mußte Kim ein Bündnis mit den Vereinigten Liberalen Demokraten (ULD) - einer extrem rechten Gruppierung - eingehen. In der ULD sammeln sich Politiker, die in den 60ern und 70ern unter dem Diktator Park Macht hatten und später kaltgestellt wurden.

Viele Linke, vor allem die an Nordkorea orientierte Mehrheit der Studentenbewegung, haben dennoch lieber Kim Dae-jung gewählt als den Gewerkschaftsführer Kwan Young-Ghil, der nur auf 1,2% kam.

Kwan ist Vorsitzender des kämpferischen Gewerkschaftsverbandes KCTU, der erst im Januar 1996 mit einem Generalstreik seine Legalisierung durchsetzen konnte. In dem Streik hat der Verband seine Mitgliedschaft fast verdoppelt. Nach eigenen Angaben sind in seinen Reihen rund 600.000 Arbeiter - meist aus dem industriellen Sektor - organisiert. Einige Gewerkschaften sind allerdings noch immer verboten, u.a. die sehr aktive Lehrergewerkschaft. Seit 1990 wurden ca. 2.000 Lehrer wegen Gewerkschaftsaktivitäten entlassen. Der künftige Präsident hat im Wahlkampf versprochen, den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes künftig die Organisierung zu erlauben.

Im Sommer hat der KCTU-Vorstand beschlossen, künftig bei Wahlen als eigenständige Kraft anzutreten. Die Gründung einer Arbeiterpartei, in die auch viele Linke und Umweltschützer Hoffnungen setzen, wird vorbereitet. Im nächsten Jahr will man zu den Kommunalwahlen antreten.

An dem Projekt ist auch die Nationale Allianz für Demokratie und Wiedervereinigung beteiligt, ein Dachverband verschiedener Bauernorganisationen und armer Hausbesitzer, die sich in den großen Städten gegen Spekulanten und staatliche Umstrukturierungspläne zur Wehr setzen müssen. Auch ein Dachverband von Straßenhändlern, die unter Vertreibungsdruck städtischer Behörden stehen, ist in der Allianz vertreten. Ursprünglich stand sie dem nationalistischen, an Nordkorea orientierten Mehrheitsflügel der Studentenbewegung nahe, hat aber in letzter Zeit diese Verbindung gelöst.

Die Wahlkampagne zu den Präsidentschaftswahlen soll den Auftakt zum Aufbau der neuen Partei geben. Im Wahlprogramm wird v.a. die Auflösung der Wirtschaftskonglomerate, ein Ende der Repression gegen Bürgerbewegungen, Demokratisierung und ein Plan für die Wiedervereinigung gefordert. Die "Chaebols" genannten Wirtschaftskonglomerate stellen mit ihrer ausufernden Vielfältigkeit eine südkoreanische Besonderheit dar. Nicht nur Linke sehen in ihnen ein wesentliches Entwicklungshindernis und die Ursache der gegenwärtigen Krise.

Die 306.000 Stimmen, die das Bündnis erzielen konnte, liegen am unteren Ende dessen, was man erwartet hatte. Daß nicht einmal alle KCTU-Mitglieder ihren Vorsitzenden gewählt haben, ist für Hoe Chan-Roh von Kwans Wahlkampfstab ein Zeichen für den Ökonomismus der südkoreanischen Arbeiterbewegung. Viele Arbeiter seien zwar bereit, ihre Interessen in Streiks militant zu verteidigen, haben aber wenig politisches Bewußtsein. Das sei ein Ergebnis des Systems kleiner Betriebsgewerkschaften. Hoe hofft, daß unter dem neuen Präsidenten endlich Industriegewerkschaften zugelassen werden.

Hohe Erwartungen an den Neuen hat man ansonsten im Kampagnenbüro des Bündnisses nicht. "Seine Möglichkeiten sind sehr beschränkt", meint Wahlkampfmanager Cheon Young Se. Seine Bündnispartner von der ULD sind z.B. für die Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Außerdem verfügen sie über gute Beziehungen zu den Chaebols. Auf jeden Fall sei eine starke linke Partei nötig, um Kim unter Druck zu setzen.

Daran sollte ab dem 22.12. weiter gearbeitet werden. Vorher gönnte man sich ersteinmal ein paar freie Tage. Im Januar oder Februar, so Gewerkschaftsführer Kwan, soll es einen neuen Generalstreik geben, diesmal gegen die Auflagen des Internationalen Währungsfonds. Eine Alternative zu der Kreditaufnahme sieht allerdings auch Cheon nicht. Er fordert lediglich neue Verhandlungen über die Auflagen.

(wop)