KERNspalte

"Genaugenommen ist Castor nur ein anderes Wort für Sicherheit." So lautet die Überschrift einer Anzeige des "Informationskreises Kernenergie", die vor kurzem in einigen Zeitungen, darunter auch der TAZ, erschien. Genaugenommen ist das einfach gelogen. Im März dieses Jahres mußte das BfS sämtliche Transportgenehmigungen mit NTL11-Behältern von British Nuclear Fuels widerrufen, da drei Falltests mit derartigen Behältern scheiterten (LinX berichtete). Jahrelang wurden die Behälter für Transporte aus den AKW Krümmel und Neckarwestheim nach La Hague und Sellafield eingesetzt, aber nie praktisch getestet. Auch nach diesem Vorfall sind noch immer 12 deutsche Atomgutbehälter keinem Objekttest unterzogen worden.

Anfang Mai nun die nächste traurige Bestätigung für AtomkraftgegnerInnen: Atommüllcontainer und -waggons sowie Bahnhöfe weisen überhöhte Strahlungen auf. Die französische Zeitschrift "Libération" recherchierte, daß nuklearer Müll aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz in verstrahlten Behältern La Hague erreichte. Die Strahlenwerte an den Außenwänden überschritten den zulässigen Grenzwert von 4 Becquerel/cm2 um das bis zu 500fache bei den französischen Behältern. Bei den in der BRD beladenen Transporten wurden immerhin Werte von bis zu 22,2 Becquerel/cm2 gemessen (5,6 mal so hoch wie der Grenzwert); 11 Waggons und 2 Behälter von insgesamt 55 Beförderungen von der BRD nach La Hague waren betroffen. Ursprung für die überhöhten Außenwandstrahlungen ist das Beladen der Behälter. Die abgebrannten Brennelemente werden im Abklingbecken unter Wasser verladen. Dabei ist vermutlich mit Kobalt 60 kontaminiertes Wasser hängen geblieben. Rund 25% der bisher in La Hague wiederaufbereiteten 12.124 Tonnen atomaren Brennstoffes stammen aus deutschen Kraftwerken; bis zum Jahr 2000 sollen weitere 2.000 t aus der BRD folgen.

Die französische Staatsbahn (SNCF) stoppte sofort nach dem Bekanntwerden alle Brennelementtransporte von und zur WAA La Hague. Dem schlossen sich mittlerweile die Schweiz und auch die Deutsche Bahn AG an. Kurz zuvor war der französische Industrieminister Christian Pierret noch auf einen der Waggons gestiegen, um die Harmlosigkeit zu zeigen. Vielleicht war er irregeführt durch den Jahresbericht der Strahlenschutzkommission, in dem Atomkraftwerke und Atomtransporte kaum eine Erwähnung finden.

Besonders erschreckend ist, daß der französische Kraftwerksbetreiber Electricité de France, der staatliche Wiederaufbereitungskonzern Cogema und die EDF (französischer Elektrokonzern) schon seit 1990 von den erhöhten Außenwerten wußten und weder Kontrollbehörden informierten, noch die betreffenden Arbeitenden warnten. Bisher wurde die Verstrahlung von drei Bahnarbeitern zugegeben.

Während die Gewerkschaften medizinische Untersuchungen für Verlade-ArbeiterInnen fordern, klagt Angela Merkel über mangelnde Transparenz bei den Transporten aus Kernkraftwerken der BRD (was sie nicht sagt!). In Deutschland sei die Kontamination noch nicht festgestellt worden. Hier werden allerdings die Waggons aus Frankreich gar nicht überprüft. Außerdem räumte Merkel ein, schon in der vergangenen Woche von Frankreich über die erhöhten Strahlenwerte unterrichtet worden zu sein. Aber Frau Merkel kann uns beruhigen (?): Für inländische Castor-Fahrten seien derartig hohe Strahlungswerte auszuschließen, da sie ständig von Personal mit Strahlungsmeßgeräten begleitet würden. Frage bleibt, ob der Akt des Messens die Strahlung automatisch niedrig hält, bzw. ob die Öffentlichkeit über abweichende Werte überhaupt informiert wird. Am sichersten sind doch keine Atomtransporte!

(US)