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Karlsruhe kassiert Müll-Mark

Fastfood-Imperialisten wie McDonald's dürfen sich freuen. Das Verfassungsgericht hat gesprochen: Die vom Land Schleswig-Holstein erhobene Abfallabgabe, von den Kommunen an die BürgerInnen und Unternehmen weitergereicht, ist verfassungswidrig, ebenso kommunale Verpackungssteuern. Der Weg zum Einweggeschirr ist wieder geebnet. SPD und Grüne im Kieler Rat bedauerten die Entscheidung. "Dies ist ein umweltpolitisch völlig falsches Signal", sagte Lutz Oschmann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Fenske gab zu Protokoll, die Karlsruher Entscheidung sei "mit Blick auf bundesrechtliche Vorgaben unter ökologischen Gesichtspunkten zu bedauern" und "ein Rückschritt auf dem Weg zur weiteren Abfallvermeidung".

Raucht er bald billiger? - Schornstein der Kieler MVA (Foto: jm)

In ziemlicher Bedrouille ist durch das Karlsruher Urteil die Landesregierung. 110 Mio. DM fehlen plötzlich im 98er Haushalt, wenn die verfassungswidrig erhobenen Gebühren zurückerstattet werden müssen. Finanzminister Claus Möller ist in der Zwickmühle, denn er hat nur ein schmales Polster von 30 Mio. im Schuldenhaushalt. Finanziert er die 110 Mio. über neue Schuldenaufnahme, wird sein Haushalt verfassungswidrig. Und auch Umweltminister Steenblock (Grüne) macht ein langes Gesicht. Mit der Abfallabgabe wurden v.a. Sanierungsprojekte finanziert, für allein 60 Mio. etwa die des Lübecker Metallhüttengeländes. Die weitere Finanzierung ist nun mehr als ungewiß.

Doch ist noch unklar, wie die verfassungswidrig eingenommenen Gebühren zurückgezahlt werden können. Rein rechtlich gesehen hätten nur BürgerInnen einen Anspruch auf Rückzahlung, die der Entrichtung der Abgabe widersprochen oder sie nur gegen Vorbehalt bezahlt hätten, spekulierte Kiels Umweltdezernent Erich Schirmer. Vielmehr schwebt ihm vor, die "Rückzahlung" rückwirkend in Form von für 1999 einmalig gesenkter Müllgebühren vorzunehmen. Für die BürgerInnen könnten dabei bis zu 6 DM pro Monat, macht jährlich 72 DM, herausspringen. Das Umweltministerium berechnete dagegen, daß die BürgerInnen seit 1995 im Durchschnitt jährlich 7,10 DM Abfallabgabe gezahlt hätten, d.h. bei Rückerstattung kämen für jeden Gebührenzahler gerade mal knapp 30 DM heraus. Sollten diese Gebühren wirklich zurückerstatten werden, käme zusätzlich zur nun fehlenden Müll-Mark auch noch ein millionenschwerer Verwaltungsaufwand auf das Land zu.

Die SPD-Ratsfraktion hat trotz Bedauerns über den ökologischen Rückschlag nun v.a. davor Angst, daß das Land die verlorene Müll-Mark bei den Kommunen kassiert. Jürgen Fenske forderte daher vom Magistrat eine "umgehende Aufklärung über die Konsequenzen der Aufhebung der Abfallabgabe". Und: "Das Land muß alle eigenen Anstrengungen zur Rückzahlung der Abfallabgaben unternehmen." Dies scheint die eigentliche Sorge der SPD zu sein, das Jammern über den "ökologischen Rückschlag" allenfalls ein Lippenbekenntnis. Zudem begrüßte Fenske, daß die Landeshauptstadt "die Erhebung der Verpackungssteuer schon vor einiger Zeit im Hinblick auf das Karlsruher Verfahren" aussetzte. Damit sei der nun eingetretene finanzielle Verlust überschaubar.

Die CDU begrüßte erwartungsgemäß die Karlsruher Entscheidung, insbesondere die zur Verpackungssteuer. Die Unternehmen, so Fraktionschef Arne Wulff seine Klientel ansprechend, seien durch den Grünen Punkt und die Verpackungssteuer "gleich doppelt" zur Kasse gebeten worden. In der nächsten Ratsversammlung will die CDU einen Dringlichkeitsantrag zur Aufhebung der städtischen Verpackungssteuer stellen.

Ebenfalls reine Klientelpolitik legte der Mieterbund S.-H. an den Tag. Das Urteil sei ein "Dämpfer für das hemmungslose Drehen an der Gebührenschraube". Den Mietern empfahl der Mieterbund, die Gebühren von den Vermietern zurückzufordern. Trotz nun fehlenden finanziellen Anreizes dennoch Müll zu vermeiden, das empfahl der Mieterbund nicht.

Daß mehr Müll die Folge von weniger Geld für den Müll ist, wurde schon wenige Tage nach der Urteilsverkündung deutlich. Der Rendsburger Imbißbetreiber Alv Gundlach, so berichteten die KN, wolle Cola ab sofort wieder in der Dose verkaufen. Er sei sonst nicht konkurrenzfähig zu den Supermärkten, vor denen er seine Bratwürste &c. verscherbelt.

(jm)