Aus dem Kieler Rat

Mit "Germania" nach Großdeutschland

Gansel will Hafenbecken nach "Germania" benennen

Oberbürgermeister Gansel, der "ideelle Gesamtkieler" (Lutz Oschmann, grüne Ratsfraktion), hat mal wieder etwas zur "Chefsache" gemacht. In einer einsamen Entscheidung will er das neue Hafenbecken an der Hörnbrücke "Germania-Hafen" nennen. Gansels Begründung: An selber Stelle stand einst die Germania-Werft. Sowohl der Name wie auch Gansels Alleingang bei den Benennungsüberlegungen waren am 14.5. Thema einer aktuellen Stunde der Ratsversammlung.


"Nach Germania Baden gehen" ­ Germane Gansel (Montage: jm)

Schon vor der Debatte hatten die "Kieler Nachrichten" in ihrer bekannten Meinungsmache per selektivem Abdruck von Leserbriefen für Gansels Vorschlag Stimmung gemacht. In der Ratsversammlung kam es dann zu einem kleinen Kolleg über die Symbolkraft von Namen. Fraktionsvorsitzender Arne Wulff begrüßte für die CDU den Vorschlag. In seinem großdeutschen Plädoyer für "Germania" wandte er sich gegen kritische Einwände, der Name erinnere v.a. an die kriegerische Tradition der einstigen Werft, nach der das Becken nun heißen soll. Auf der Werft habe man "nichts anderes getan als auf anderen Werften auch, nämlich Schiffe gebaut ­ auch Kriegsschiffe". Niemand habe z.B. HDW aufgefordert, keine Kriegsschiffe mehr zu bauen. Insofern sei es kein Argument gegen den Namen, daß auf der Germania-Werft "auch Kriegsschiffe" gebaut worden seien. Vielmehr bekenne man sich mit so einem Namen zur Kieler Geschichte. Überdies sei die "Göttin Germania" viel älter als das Reich mit seinen imperialen Traditionen. Sie verweise auf das "Volk der Germanen", die "genauso von den Römern unterdrückt wurden wie die Gallier". Insofern, so Wulffs nationale Logik, beziehe sich der Name auch auf den Kampf gegen Unterdrückung: "Wir sind alle Germanen", schlachtrief Wulff in die Versammlung. Auch der CDU-Ratsherr Moriz konnte an "Germania" nichts Übles finden. Fahre man mit dem Schiff in die Förde ein, so komme man an vielen Namen vorbei, über die sich niemand aufrege, Tirpitz-Mole, Scheer-Hafen. Es gebe eine Rudergesellschaft "Germania", von der man kaum annehmen könne, sie fahre als "Geschwader von Ruderachtern mit Kanonen" über die Förde. Zudem seien die HDW-Arbeiter "stolz auf ihre Schiffe, auch die Kriegsschiffe". Und: "Die Germania-Werft hat sozialen Wohnungsbau betrieben und zum Aufstieg Gaardens und Kiels erheblich beigetragen."

Wolfgang Schulz von der SPD-Fraktion kritisierte weniger den Namen als Gansels Vorgehensweise. Der Ortsbeirat Gaarden sei zu dem Vorschlag nicht gehört worden. Als der Name bereits öffentlich in der Presse diskutiert wurde, habe es "keine Alternativen" mehr gegeben. Schulz forderte am "Germania-Hafen", sollte das Wasserbecken so genannt werden, eine "Aufklärung über den zwiespältigen Charakter des Namens im Rahmen der wechselvollen Geschichte von Krieg und Revolution".

Auch der CDU-Ratsherr Jakob Vieregge kritisierte, daß der Ortsbeirat bei der Namensdiskussion übergangen wurde. Der Ortsbeirat habe erst aus der Zeitung davon erfahren, nicht vom OB. Dennoch werde "an den Menschen vorbeidiskutiert". Für die Gaardener sei der Name "Germania" synonym mit ihrem Stadtteil. Man könne den Namen auch so lesen: "G wie Gaarden, E wie Erinnerung, R wie Rückblick, M wie Mahnung, A wie Angebot, N wie neuerung, I wie Innehalten und A wie Abstand von Ideologien und verbohrten Brücken im Kopf."

Die einzigen, die gegen den Namen selbst opponierten, waren die Grünen. Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff wies darauf hin, daß "Germania als Symbolfigur ein nationales Konstrukt des 19. Jahrhunderts" sei. Sie habe mit Deutschland so viel zu tun "wie Arnold Schwarzenegger mit Rußland". Germania habe "als verknüpfendes Band die nationale Einigung" symbolisieren sollen. Der Name tauge gerade nicht dazu, das Wechselvolle der Geschichte aufzuzeigen. Vielmehr rufe er Assoziationen hervor, "daß es heute wie Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland wieder aufwärts" gehe. Mit einem Namen die "Identifikation mit altdeutscher Großmachtspolitik" zu suchen, sei "peinlich".

Solchermaßen angegriffen sah sich der OB zur Klarstellung berufen. Der Ruderverein Germania zeige ebenso wie der Schiffsname "Stena Germanica" doch, wie "unbefangen der Name schon jetzt verwendet wird". Ihm sei ein scherzhafter Namensvorschlag zugegangen, das Becken in Anlehnung an die Hörn "Hörnchen" zu nennen. Aber das klinge nicht repräsentativ genug. Er stelle sich vor, daß die Kieler sagen: "Wir fahren nach Germania zum Baden." Das habe nichts mit Germanien und der Göttin zu tun. Überdies solle der Name auch daran erinnern, daß Kiel ohne den Kriegsschiffbau auf der Germania-Werft "nicht das hätte werden können, was es war und ist". Weiter erinnerte der OB an die "revolutionären Traditionen" der Germania-Werft. 1918 sei im Rahmen der Novemberrevolution dort der erste Kieler Arbeiterrat gegründet worden. 1945/46 hätten die Arbeiter der Germania-Werft "am stärksten gegen die britische Demontage" opponiert und diese z.T. erfolgreich "sabotiert". "Das ist unsere Geschichte", schwärmte Gansel, "im Guten wie im Bösen". Da das Becken ein Yachthafen werde, sei der Name "nicht böse". Er solle vielmehr "etwas Positives für die Zukunft und die Geschichte transportieren". Auch der Ex-SPD-Fraktionsvorsitzende Raupach betonte die revolutionäre Tradition der Germania-Werft. Zwar sei die Kriegszerstörung in Gaarden durch die Werft besonders groß gewesen und die "Betroffenheit wegen des Namens insofern sehr sympathisch". Aber die Werft sei auch eine Hochburg der KPD gewesen, und ein Ort "herausragender Widerstandsarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten". Überdies sei die Größe des Hafenbeckens im Verhältnis zum Namen "Germania" "ein Stück gesunder Ironie".

SUK-Volkstribun Wolfgang Kottek fand den Namen "fantastisch für Kiel". Der Kritik könne er nicht folgen. Niemand habe z.B. etwas dagegen, daß "Benz und Krupp" weiter so heißen, wie sie heißen, obwohl diese Unternehmen in Kriegsproduktion und Nazi-Herrschaft verstrickt gewesen seien. "Wie weit wollen Sie denn zurückgehen?", fragte er die Grünen. "Jeder war verstrickt." Es sei schade, daß der Name "so in den Schmutz gezogen" werde. "Das Volk" sei dafür, wie die KN-Leserbriefe zeigten.

Lutz Oschmann von den Grünen wies in Antwort auf CDU's Moriz darauf hin, daß es hier um eine Neubenennung, nicht eine Umbenennung gehe. Insofern sei der Hinweis auf die Tirpitz-Mole "schwachsinnig". Der Name müsse die zivile Nutzung des ehemaligen Kriegswerftgeländes widerspiegeln. Der vom Krupp-Konzern als ehemaligem Betreiber der Germania-Werft dem OB angetragene Name sei "verständlich", aber dennoch nicht geeignet. Immerhin könne man dem Krupp-Konzern keine großdeutschen Interessen mehr unterstellen. Krupp sei frühzeitig sowohl aus der Atomtechnik wie auch der Rüstung ausgestiegen. Statt einsamer OB-Entscheidungen sollen, so wünscht sich Oschmann, die Kieler entscheiden, etwa mittels eines Ideenwettbewerbes in den KN. Eine endgültige Entscheidung über den Namen des "Hörnchens" traf der Rat noch nicht.

(jm)