Anti-AKW

Widerstandsfeier vor dem AKW Brokdorf

Idyllisch gelegen und vorbei an Weiden der Wilster Marsch mit potentiell verrückten Rindern zu erreichen, ist der Ort Brokdorf. An diesem Samstag, den 6. Juni, geht es nicht zum beheizten Freibad, sondern Richtung Deich, wo inmitten der nunmehr schon kräftig gewachsenen Anpflanzungen, umgeben von einem Graben wie zu Zeiten der Raubritter, das Atomkraftwerk Brokdorf liegt. Verschiedene Initiativen riefen an diesem Tag zur Feier des 25jährigen Widerstandes gegen das AKW auf. (LinX 11/98 berichtete im Vorfeld darüber.)

Mit der Standortauswahl 1973 fing es hier an. Die Großdemonstrationen gegen das AKW erlangten traurige Berühmtheit durch den "Hamburger Kessel", Kampfgaseinsätze, Hubschrauberjagden auf Demonstrierende sowie die Demolierung von Autokonvois und Zeltplätzen durch die Polizei. Im Februar 1977 kamen beispielsweise 60.000 Menschen, um ihren Unwillen kundzutun. AKW-GegnerInnen beklagen u.a., daß das Kraftwerk unzureichend gegen Erdbeben und Hochwasser sowie Flugzeugabstürze gesichert ist. Dennoch, der Druckwasserreaktor wurde nach langen Verzögerungen am 3.10.86 in Betrieb genommen; er soll nach Wunsch der Betreiber (Hamburger Elektrizitätswerke und Preussen Elektra) 40 Jahre am Stromnetz bleiben. Zu einem geringeren Anteil werden hier auch MOX-Brennelemente eingesetzt. In den Mischoxid-Brennelementen wird das in Wiederaufbereitungsanlagen abgetrennte Plutonium genutzt.

Die letzte Großdemo fand kurz vor der Inbetriebnahme des Druckwasserreaktors statt. Dem Aufruf am letzten Samstag folgten nicht mehr viele, ca. 150 Leute erschienen vor Ort. Darunter auch einzelne jener Partei, deren Wiege der Widerstand in Brokdorf war, und die es mittlerweile geschafft hat, den Staatssekretär für Energie in der Landesregierung zu stellen. Ironie des Schicksals, daß Staatssekretär Wilfried Voigt am 17. Juni dem Kläger gegen die Betriebsgenehmigung des AKW (einem eigenen Parteigenossen) gegenübersteht.

Die Feier fand, beobachtet von einigen Torwächtern und der Polizei, die sich mit maximal drei Manschaftswagen zeigte, am Haupteingang des AKW statt. Es gab Informationsstände, Kaffee, Tee und Kuchen sowie eine von musikalischen Einlagen begleitete Redeliste. Vor allem die Kirche dominierte bei der Veranstaltung. Zu Wort kamen u.a. Anton Vries als Vertreter der Tier- und Pflanzenwelt und Karsten Hinrichsen, aufgrund dessen nunmehr 12jährigen Klage das AKW noch immer keine bestandskräftige Genehmigung besitzt. Karsten Hinrichsen führte den Vergleich der durchschnittlichen Halbwertzeit der PolitikerInnen von 2 Jahren mit der von Plutonium vor Augen (Plutonium 239 hat eine HW-Zeit von 24.400 Jahren). Helga Jansen forderte in ihrem Beitrag die Kleinaktionäre auf, zur Hauptversammlung der HEW am 24. Juni zu gehen. Die Kundgebung klang mit Picknick und Party aus.

(us)