Lokales

Gansel Germanicus

"Germaniahafen Gaarden" soll sie nun also heißen, die neugebaute Seglerfalle an der Hörn. Wenn schon die Brücke oft nicht klappt, wie sie soll, so klappt's doch mit der SPD-Mehrheit immer noch so, wie Gansel sich das vorstellt. "Hie treudeutsch allewege!"

Unsere Heimatzeitung hat Gansel den Rücken gestärkt. Bei einer KN-Leserumfrage fanden sich knapp 1.000 Leute zur Unterstützung des Germania-Projekts bereit: "Da mein Großvater Wilhelm B. (...) mehrere Jahrzehnte auf der 'Germaniawerft' tätig war (bis ca. 1940), meine ich, daß der Standort am Ostufer der Stadt Kiel auch Geschichte ist und nicht mit 'Großmachtstreben Deutschlands' im Zweiten Weltkrieg abgetan werden kann", meint etwa Anneliese H. (Gehe ich fehl in der Annahme, daß dies noch eins der zivileren BekennerInnenschreiben war?)


Kleines Becken mit groß(deutsch)em Namen (Montage: jm)

Germanische Blütezeiten

Warum soll man eigentlich das Großmachtstreben Deutschlands (das offenbar nicht "auch Geschichte" ist ­ oder doch? oder einfach lebendiger geblieben als Opa B.? egal ­ verteufeln? Schließlich, so weiß KN-Artikelschreiber "küp" am 5.6. zu berichten, "erlebte das Unternehmen v.a. durch Rüstungsaufträge vor den beiden Weltkriegen wirtschaftliche Blütezeiten". Und: "Besonders stolz waren die Werftarbeiter" ­ in der 2. Blütezeit ­ "auf ihr 'Prunkstück': den 200 Meter langen und 22 Meter breiten Kreuzer 'Prinz Eugen', der Platz für 1.200 Soldaten und 3 Seeflugzeuge bot" (und leider ­ aber dieses Bedauern wird "küp" nicht teilen ­ nicht frühzeitig versenkt wurde, sondern erst 1946 "bei Atombombenversuchen im Bikini-Atoll kenterte").

Na denn: Wo damals "die" Werftarbeiter stolz auf war'n, da können wir uns doch auch zu bekennen, oder was? "Hier mußten Tausende von ZwangsarbeiterInnen unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften", wandte Frau Marlis Rathje ein und begründete so ihre Ablehnung des nun beschlossenen Namens (KN v. 4.6.). "küp" und Anneliese H. wird's egal sein. Norbert G. wird es wohl fertigbringen, sein Wissen um diese Tatsache mit dem Stolz über sein Durchsetzungsvermögen in der Namensfrage in aller Betroffenheit zu verbinden.

Es gab auch Alternativvorschläge. "Lotti-Huber-Hafen" ist einer der netteren. Ich hätte das Ding ja "Uwe-Barschel-Gedächtnisbecken" genannt. Aber auf mich hört eh keiner.

Deutscher November

Mit seiner "Germania"-Kampagne setzt Gansel Zeichen in einem Jahr, das, wenn man historische Vorbilder bemühen möchte, auch unter ganz anderen Vorzeichen stehen könnte. Daß diejenigen Werftarbeiter, die sich vor 80 Jahren an der letzten deutschen Revolution beteiligten, mit dem Kniefall vor dem Hause Krupp, den die Namensgebung auch darstellt, verhöhnt werden, stört allzuwenige Sozialdemokraten. (Immerhin haben die Gaardener den Namen abgelehnt. Es wäre schön, wenn weiterhin Protest zu hören wäre.)

Man sollte Gansels Vorstoß durchaus auch als sinnstiftenden Beitrag zu dem bevorstehenden Jahrestag der Novemberrevolution verstehen. Es ist nicht der einzige ­ die für den 18. August angesetzte öffentliche Vereidigung eigens dafür von ihren Ausbildungsstandorten nach Kiel gekarrter Rekruten auf dem Rathausplatz ist ein weiterer. Und warum dabei stehenbleiben?

Warum nicht, wo wir gerade bei Namensgebungen sind, auf einen Vorschlag aus dem Jahre 1982 zurückgreifen und Kiel einen "Gustav-Noske-Park" (-Platz, eine -Straße) bescheren? Der entsprechende Antrag kam damals von der CDU-Ratsherrenfraktion, die Gansel heute ausdrücklich in die Verantwortung für die Geschicke der Stadt einbinden will. Der "Bluthund" (Selbsteinschätzung des SPD-Reichswehrministers) Noske wurde darin zum "Vorbild für unsere Demokratie" erklärt, weil ihm "die Eindämmung der hiesigen revolutionären Bewegungen gelungen" sei. Die CDU berief sich dabei auf eine Anregung des kurz zuvor mit dem Kieler Kulturpreis ausgezeichneten Historikers K. D. Erdmann, der inhaltlich übereinstimmend argumentiert und Noske dabei eine Person zur Seite gestellt hatte, nach der leider bereits eine Straße in Kiel benannt war und ist: "'Noske', argumentierte er, habe ebenso wie der aus Kiel stammende Gewerkschaftsführer Carl Legien 'dazu beigetragen, daß die von Kiel ausgehende Revolution im Endergebnis nicht zu einem Rätestaat. sondern (...) zur parlamentarischen Weimarer Republik führte'." (W. Wette: "Gustav Noske", Düsseldorf 1987.)

Wer startet mit mir eine Kampagne zur Umbenennung der Legienstraße?

(D.L.)