MigrantInnen

Wahl zum "Ausländerbeirat" gescheitert

Wozu wählen?

Gescheitert ist die zweite Wahl zur sog. "Interessenvertretung ausländischer Einwohner" am 8. Juni in Kiel. Wahlberechtigt waren alle AusländerInnen über 16 Jahren, die seit mindestens drei Monaten in Kiel wohnen und eine Aufentshaltsgenehmigung haben ­ ausgeschlossen waren Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung. Von den 15.295 Wahlberechtigten hätten 15%, also mindestens 2.295 Personen, zur Wahl gehen müssen. Es wählten letztlich nur 1.854 Menschen, also 12,1%. "Von der Einrichtung einer Interessenvertretung (wird) abgesehen", heißt es für diesen Fall in der entsprechenden Satzung, die die Ratsversammlung beschlossen hat.

Angetreten waren vier Listen: Das "Türkisch-Islamische Bündnis" verfügte bisher über eine solide Zweidrittel-Mehrheit in der Vertretung (13 von 19 Sitzen). Die beiden bisherigen Oppositionsfraktionen (jeweils 3 von 19 Sitzen) hatten sich zur "Demokratisch-Internationalen Liste" zusammengeschlossen. Politisch aus dem gleichen Spektrum stammte die neue "Internationale Liste", die unter dem Stichwort "Multikulti" antrat. Für Zündstoff sorgte die überraschende Kandidatur einer neu gegründeten "Kurdistan Liste": Das "Türkisch-Islamische Bündnis" protestierte scharf gegen deren Zulassung zur Wahl, formell bildete der Begriff "Kurdistan" den Stein des Anstoßes.


(Foto: R. Pohl)

Die Wahl ging, wäre sie denn gültig gewesen, noch eindeutiger aus als vor zwei Jahren: Das "Türkisch-Islamische Bündnis" bekam fast 80% der Stimmen (entsprechend 15 der 19 Sitze), auf dem zweiten Platz landete die "Kurdistan Liste" mit 8%, gerade mal ein Zehntel der Stimmen des Wahlsiegers (oder 2 der 19 Sitze). Die beiden Internationalen Listen erreichten jeweils knapp über 6%, sie unterschieden sich nur um eine Stimme und hätten jeweils einen Sitz einnehmen können.

Das "Türkisch-Islamische Bündnis" sah die Schuld für das Scheitern der Wahl bei der "Kurdistan Liste": Durch ihr Antreten haben sie innerstaatliche Probleme aus der Türkei in die Interessenvertretung getragen, viele Türken seien aus Verärgerung darüber nicht zu den Wahlen gegangen. Die übrigen drei Listen machten die Dominanz der "Türkisch-Islamischen Liste" für die schwache Wahlbeteiligung verantwortlich: Mit ihrer erdrückenden Übermacht in der bisherigen Vertretung hätten sie nur ihre nationalen und religiösen Themen zur Behandlung zugelassen, das habe bei anderen AusländerInnen zur Resignation geführt.

Wie es jetzt weitergeht, ist noch unklar. Die erste Vertretung war nur zwei Jahre im Amt, die jetzige Wahl sollte die "Amtszeit" des Beirates an die Legislaturperiode der Ende März für fünf Jahre gewählten Ratsversammlung anpassen und ebenfalls für fünf Jahre gelten. Ob die Stadt jetzt in einem Jahr oder in fünf Jahren eine Neuwahl ansetzt, ist noch offen. Es gibt auch die Idee, die Kandidatinnen und Kandidaten dazu einzuladen, einen Arbeitskreis beim Ausländerreferat der Stadt zu bilden und, natürlich noch unverbindlicher als bisher, einschlägige Vorhaben der Stadt zu beraten und zu begleiten.

Unverbindlich ­ das ist sicherlich auch ein Stichwort für einen weiteren Grund für die weitverbreitete Interesselosigkeit am Ausländerbeirat. Denn dieser sollte zwar von allen AusländerInnen gewählt werden, dann aber nur beraten dürfen. "Reden ja, entscheiden nein" lautete die klare Vorgabe der Ratsversammlung. Neu war nur das Rederecht des Vorsitzenden in der Ratsversammlung, was aber offenbar nicht einmal AnhängerInnen des von dieser Regelung als einzige betroffenen "Türkisch-Islamischen Bündnisses" mobilisieren konnte, sank die Zahl ihrer Stimmen doch von 1.721 (1996) auf 1.462. Denn die SprecherInnen aller Listen fordern eigentlich ganz normales Wahlrecht, zumindest auf kommunaler Ebene, und außerdem das Recht auf doppelte Staatsangehörigkeit, was ja auch das "normale" Wahlrecht nach sich zieht. So konnte auch keine der vier Listen uneingeschränkt mobilisieren, denn auf die oft gestellte Frage: Wozu sollen wir eine Versammlung wählen, die dann nichts entscheiden darf? gibt es keine überzeugende Antwort.

(Reinhard Pohl)