Internationales

Nur ein Verschnaufen

Ostasiens Aktienbesitzer können vorerst aufatmen. Nachdem der japanische Yen die eh schon schwindsüchtigen Aktienkurse und Währungen der Region auf seiner rasanten Talfahrt mitgerissen hatte, brachte der Eingriff der US-Notenbank am Mittwoch vergangener Woche etwas Erleichterung. Von Bangkok bis Shenzen, von Singapore bis Shanghai ziehen die Kurse wieder an. Auch die Währungen gewinnen wieder etwas gegenüber dem Dollar, nur bei der indonesischen Rupiah bleiben die Devisenhändler vorsichtig.

Dabei hatten die meisten Analysten noch Tage vor der milliardenschweren Operation, die der amerikanische Präsident mit Japans Ministerpräsidenten Hashimoto abgesprochen hatte, gemeint, in Tokio zeige man wenig Neigung, den Yen zu stützen. "Japan ist mehr mit sich selbst beschäftigt, als mit Asien. Für seine Wirtschaft überwiegen die Vorteile eines schwachen Yens eindeutig die Nachteile", zitierten Hongkonger Zeitungen z.B. Fumiyuki Sasaki vom japanischen Nomura Forschungsinstitut. Abwertung, so die Überlegung, macht Exporte billiger.

Die Daten schienen den Skeptikern recht zu geben: Nippons Handelsbilanzüberschuß klettert von Monat zu Monat. Im Mai hat er nach vorläufigen Angaben des Tokyoer Finanzministeriums 15,25 Mrd. DM betragen. Allerdings ist das allein die Folge stark zurückgegangener Importe und nicht eines Anstiegs der Ausfuhren.

Die gebremste Kauflust der Verbraucher des fernöstlichen Inselstaates macht also nicht nur der heimischen Wirtschaft zu schaffen, sondern auch den asiatischen Nachbarn. Für die Volksrepublik China ist Japan z.B. der drittwichtigste Abnehmer. In Peking regierte man daher zunehmend nervös auf das Absacken des Yen. Erstmalig wurde mit einer Abwertung des chinesischen Yuan gedroht, sollten Tokyo und Washington nicht endlich aktiv werden.

Am 17.6. war es dann so weit. Für Schätzungsweise zwei Milliarden Dollar kaufte die US-Notenbank japanische Yen auf und drückte damit den Kurs deutlich nach oben. Die japanische Regierung gab ihrerseits Versprechen ab, endlich mit den seit langen angekündigten Reformen ernst zu machen. Vor allem das Bankenwesen müsse dringent überholt werden, fordern ausländische Kritiker. Nahezu alle großen Banken haben übermäßig viele "faule" Kredite angehäuft. Ihr Kapital-Kredit-Verhältnis liegt nach Angaben des "Asia Wallstreet Journals" durchgängig über den international empfohlenen 8%. Die daraus entstehenden Liquiditäts-Probleme machen sich bereits in den angeschlagenen Tigerstaaten bemerkbar, deren größte Kreditgeber Nippons Banken sind.

Mancher Beobachter und Börsenmakler bleibt allerdings skeptisch, ob die versprochenen Reformen tatsächlich in Angriff genommen werden. Bisher hatte Tokyo wenig Konkretes zu bieten. Am Sonntag gab Finanzminister Hikaru Matsunaga nach Berichten hiesiger Zeitungen bekannt, daß es vor den Parlamentswahlen im Juli keinen Plan zur Behebung des Schuldenproblems geben werde.

Aber auch mit der Reform der Banken wird die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft noch nicht aus dem Schneider sein. Mit 4,1% befindet sich die Arbeitslosigkeit auf einem seit Jahrzehnten nicht gekannten Höchststand und drückt nicht nur auf die Kaufkraft, sondern auch auf die Kauflust der nicht mehr an ökonomische Unsicherheit gewöhnten Japaner. Die Wirtschaft schrumpft: Im letzten Quartal '97 betrug des Wirtschaftswachstum -0,4%, im ersten Quartal '98 waren es nach offiziellen Angaben schon -1,3%.

Damit befindet sich Japan nach gängiger Definition in einer Rezession, ein Schicksal, daß es nicht nur mit Ländern wie Südkorea, Malaisia oder Indonesien, sondern auch mit Hongkong teilt. Selbst im autoritären Musterländle Singapur spricht die Regierung inzwischen von einer drohenden Rezession.

Von einem schnellen Überwinden der asiatischen Krise, woran noch im Februar viele glaubten, kann also jetzt, wo selbst der Motor Japan stottert, nicht mehr die Rede sein. Einige Regierungen, so auch die Tokyoter, versuchen mit einer kräftigen Ausweitung der staatlichen Ausgaben, die lahmende Ökonomie wieder in Schwung zu bringen. Die ersten Mittel aus dem japanischen Konjunkturpaket sollen im Juli fließen.

Aber ob das reichen wird, eine Verschärfung der Krise zu verhindern, während Japans treueste Kunden wegen der Abwertungen ihrer Währungen den Gürtel enger schnallen müssen, bleibt fraglich. Eines jedenfalls, da sind sich Beobachter in Hongkong ganz sicher, ist klar: Eine einmalige Aktion, wie die vergangener Woche, wird den Yen nicht retten. Bereits vor zwei Monaten hatte die japanische Regierung über 20 Mrd. US-Dollar für die Unterstützung ihrer Währung an den Devisenmärkten eingesetzt, ohne daß es einen bleibenden Effekt gezeigt hätte. Die gegenwärtige Erhohlung wäre somit nichts als eine Verschnaufpause.

(wop)