Antifaschismus

Vier Monate Taxi-Boykott gegen Siemens

"das taxi", eine Hamburger Taxi-Genossenschaft mit rund 140 angeschlossenen Wagen, erregte im Januar Aufsehen mit ihrem Beschluß, keine Touren mehr für die Siemens-Nixdorf AG zu fahren. Der Grund: Siemens verweigert die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter. Für die LinX sprach Peter Hahne mit Peter Brandhorst, Fahrer und politischer Aktivist von "das taxi".

LinX: Herr Brandhorst, warum fährt "das taxi" keine Touren mehr für Siemens?

Peter Brandhorst: Siemens war an dem Motto der Nazis "Vernichtung durch Arbeit" ganz offensiv beteiligt, indem der Konzern wie etwa in Ravensbrück Werke auf dem Lagergelände von KZ's errichtete. Ein Drittel seiner Beschäftigten, rund 70.000 Menschen, waren Zwangsarbeiter. Bislang aber zahlte man lediglich 7,2 Mio. DM Entschädigung an 2.200 jüdische Überlebende ­ im Fall von Esther Bejarano, ehemalige Zwangsarbeiterin in Ravensbrück, umgerechnet 1,50 DM pro Tag. Das ist bitter wenig, andere sahen bis heute keinen Pfennig. Mit unserem Beschluß wollen wir Öffentlichkeit schaffen, um die berechtigten Forderungen der ehemaligen Zwangsarbeiter zu unterstützen.

Was fordern Sie von Siemens?

Das Unternehmen soll sich juristisch und moralisch zu seiner Schuld bekennen. Das bedeutet konkret: erstens eine Anerkennung des Rechtsanspruchs der Betroffenen und zweitens eine schnelle und unbürokratische Entschädigung der Überlebenden.

Halten Sie die Aufkündigung der Geschäftsbeziehung zu Siemens ­ Kurierfahrten in einem Volumen von rund 350.000 Mark jährlich ­ für ein effektives Vorgehen? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die bestehende Geschäftsbeziehung zu nutzen, um etwa bei den Siemens-Kunden auf Ihr Anliegen aufmerksam zu machen?

Unserer Anliegen kann nur effektiv an die Öffentlichkeit gebracht werden, wenn sich die Genossenschaft als Ganzes eindeutig erklärt. Unsere politische Position wäre wenig glaubwürdig, würden wir unsere Brötchen bei Siemens verdienen und gleichzeitig die Politik des Konzerns verurteilen.

Wie ist die Resonanz der Betroffenen?

Durchweg positiv. Sie begrüßen sehr, daß wir ihr Anliegen unterstützen und befürworten die gewählte Form des Protests.

Wie hat Siemens reagiert?

Garnicht.

Welche Aktionen begleiten den Boykott?

Im April haben wir in Hamburg im Kino "3001" den Film "Vernichtung durch Arbeit" von Lea Rosh gezeigt und eine Vortragsveranstaltung organisiert. Anwesend waren Esther Bejarano, heute Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Deutschland, und Ursula Krause-Schmidt, Historikern im Studienkreis Deutscher Widerstand. Beide Veranstaltungen fanden einen breiten Widerhall in der Öffentlichkeit und bestätigen insofern unser Vorgehen.

Wie geht es weiter ?

Im September werden wir im Rahmen der Feierlichkeiten der Siemens-AG anläßlich ihres 100-jähriges Firmenbestehens in Hamburg erneut unsere Forderungen vortragen.

(Interview: Peter Hahne)