Ratssplitter

Offene Jugendarbeit ist potentiell eine Gefahr für die innere Sicherheit. Das jedenfalls scheint der CDU-Ratsherr Klaus Kramer zu meinen. In einem Antrag zur Ratsversammlung am 11.6. forderte er für die CDU, der OB möge ein neues Programm zur offenen Jugendarbeit in Kiel vorlegen. Wie bei der CDU üblich sind mit solchen Anträgen Unterstellungen übelster Sorte verbunden: ad 1: "Eine globale Steuerung" der Mittel des 8,4 Mio.-Etats sei "nicht erkennbar". ad 2: "Die gesamte Zielsetzung der offenen Jugendarbeit in Kiel ist unverbindlich und technokratisch." In den Heimen sei ein "rechtsfreier Raum" entstanden. Und die Jugendpfleger sind natürlich alle komische Sozis. Statt die gefährlichen Jugendlichen ordentlich an die Kandarre zu nehmen und ihnen Recht und Ordnung einzubläuen, gebe es "ausführliche Beratungen über Befindlichkeiten und deren gesellschaftliche Ursachen sowie das Heranzüchten von Randgruppennachwuchs". Die Wortwahl zeigt wiedermal, wes Geistes Kind die Herren von der CDU sind. "Heranzüchten" möchten sie in ihrer rechten Sozialeugenik nämlich lieber Jugendliche, die den "gesellschaftlich notwendigen Anforderungen der Gegenwart", will wohl sagen, dem reibungslosen Funktionieren im Kapitalismus, genügen. Und daß diese Herren auch mit der lästigen Mädchenarbeit nichts anfangen können, zeigte Kramer mit folgenden Worten: "Die Mädchenarbeit hat sich inhaltlich und personell völlig verselbständigt und der politischen Kontrolle entzogen. (Sie) hat sich bisher in Kiel ausschließlich an emanzipatorischen und feministischen Konzepten ausgerichtet." Dabei wissen wir doch mit der CDU: Die Frau gehört an den Herd: "Bestimmend muß sein", so heißt es in Kramers Fazit, "die jungen Menschen in die Lage zu versetzen, eine eigene Familie aufzubauen".

Kleine Anfragen beantwortet der Stadtbaurat Flagge kostensparend kurz und bündig. Begründung siehe "gibt's nich'". Ratsherr Meyer von der CDU hatte gefragt, ob es richtig sei, daß der Planfeststellungsbeschluß zum Neubau der B 76 die Errichtung eines Lärmschutzwalls zwischen den Brücken Uhlenkrog und Aubrook nördlich der A 215 vorsehen. Flagge darauf ohne Punkt und Komma: "nein" "Wenn ja", fragte Meyer weiter, warum dann noch nichts derartiges in Angriff genommen worden sei. Flagge: "Siehe Antwort zu Frage 1."

Tja, mit der "gläsernen Verwaltung" ist das so eine Sache. Die Grünen wollen alles bürgerfreundlicher, werden dabei aber von der großen Koalition aus SPD und CDU selten unterstützt. Auf den Internetseiten des Rathauses sollen laut Antrag der Grünen die Anträge der Fraktionen und der Verwaltung dokumentiert werden, um "die Menschen mit ungefilterten Informationen zu versorgen". Inwiefern Anträge "ungefilterte Informationen" sind, sei mal dahingestellt. Jedenfalls mochte die SPD nicht folgen. Das liegt zum einen daran, daß ihr Fraktionsführer Fenske offenbar noch nie im Internet gesurft ist. Man müsse sich die bestehenden Seiten "erstmal ansehen, was die schon enthalten". Außerdem sei doch die SPD-Ratsfraktion im Internet. Das muß reichen, schließlich sind Rat, Verwaltung und SPD doch ohnehin synonym, oder? (Nebenbei als kleiner Hinweis auf die Weitverzweigtheit der SPD-Informationspolitik im Netz: Die Pressemitteilungen der Ratsfraktion werden elektronisch gerademal an zwei Presseorgane versandt: an Andreas.Otto@RSH und an die LinX.) Außerdem sind solche grünen Vorschläge natürlich viel zu teuer. Und: Wir haben doch schließlich die "Kieler Nachrichten"! Fenske an die Adresse der Grünen: "Halten Sie das Informationsangebot der KN für so gefiltert, daß es nicht ausreicht?"

"Manchmal frage ich mich wirklich, wo ich gelandet bin". Dieser Stoßseufzer war von Norbert Gansel in der Debatte um das Gelöbnis zu vernehmen. Hätte der Reserveoffizier Gansel doch früher schon öfter einmal die Sitzungen der Ratsversammlung verfolgt, vielleicht wäre ihm (und den nicht so gut betuchten KielerInnen) einiges erspart geblieben.

(jm, usch)