Antimilitarismus

Kiel rüstet auf

Einsatzgruppenversorger wird in Kiel stationiert

Die "frohe" Botschaft überbrachte "Verteidigungs"minister Volker Rühe höchst persönlich. Nicht nur daß Rühe am 1.7. bei HDW den Startknopf für die Produktion der neuen U-Boot-Klasse 212 drückte, er hatte noch anderes im Gepäck: "Es entspricht dem Wunsch der Koalition, daß der zweite Einsatzgruppenversorger in Kiel stationiert wird."

Vier Einsatzgruppenversorger (EGV) will die Marine in Dienst stellen. Die EGV stellen die logistische Hardware für die Schnellen Einsatztruppen der Bundeswehr dar. Seit den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" von 1992 ist klar, wo es mit der Bundeswehr hingehen soll ­ zum Kriegführen in alle Welt zur Sicherung deutscher Interessen. Der EGV soll als "Plattform für Versorgungs-, Führungs- und Sanitätsaufgaben" die Versorgung der Schnellen Einsatzkräfte zu Wasser bis zu 45 Tage sichern. Das erste Schiff der Reihe wird im Jahre 2000 in Wilhelmshaven stationiert, das zweite ab 2002 an der Kieler Tirpitzmole. Zwei weitere EGV werden 2010 beschafft.

Der Stationierungsentscheidung für Kiel war das persönliche Engagement von Oberbürgermeister, Offizier der Reserve und Marinefreund Norbert Gansel vorausgegangen. Er hatte seine noch aus Bundestagszeiten hergebrachten guten Beziehungen zur Hardthöhe genutzt, um Kiel als Marinestandort zu stärken. Vorbei endlich die "alten Kieler Zeiten", in denen eine Stadtpräsidentin (Silke Reyer) ihre Nähe zu Friedensgruppen und deren Forderungen nach einer marinefreien Stadt vorsichtig durchblicken ließ. Jetzt weht ein anderer Wind, wie Rühe deutlich machte. Durch die gemeinsame "zivil-militärische" Nutzung des Tirpitzhafens durch Marine und Stadt (festgelegt in der sog. "Machbarkeitsstudie", die die SPD-Ratsfraktion in einer Pressemitteilung unumwunden ­ nichtsdestoweniger falsch ­ als Beitrag zur Konversion bezeichnete) sei Kiel auf einem "marinefreundlicheren Kurs". Und solcher Aktivismus in Sachen Marine und damit letztenendes durch deren Einbindung in die schnellen Einsatztruppen auch Kriegstreiberei wurde nun prompt belohnt.

Das "Argument" für die Stationierung des EGV ist das immer gleiche: Arbeitsplätze. Mehrere hundert sollen es sein, die über 200 Soldaten Besatzung nicht mitgerechnet. Da wird auch gerne mal die strategische und damit kriegerische Bedeutung des EGV heruntergespielt (vgl. Zitat der Woche). So mochte sich auch die SPD-Ratsfraktion mit ihrem Jubel über die Stationierungsentscheidung nicht zurückhalten. "Das Engagement der Stadt zum Erhalt des Bundeswehrtransportes Kiel trägt Früchte." Mit diesen Worten begüßt Cai-Uwe Lindner, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion, der sich auch gerne als "bundeswehrpolitischer Sprecher" bezeichnen läßt, die Entscheidung des "Verteidigungs"ministeriums. Die Stationierungsentscheidung sei neben den Aussagen des BMV zur Zukunft des Marinestützpunktes und des Verbleibs der "Gorch Fock" ein "weiterer Baustein zur Sicherung des Bundeswehrstandortes Kiel". Über den hatte sich nicht nur Lindner Sorgen gemacht, denn die Außerdienststellung der derzeit an der Tirpitzmole stationierten Zerstörer der Klasse 103 ist bereits eingeleitet. Die "Rommel" soll schon im September aus der Fahrbereitschaft genommen werden. So kommt die Stationierung des EGV gerade recht. Und weil er gerade dabei war, wollte Lindner auch noch den Produktionsstart der U-Boote bei HDW loben. Standard"argument" auch hier: "Die damit verbundene Sicherung von 1.000 Arbeitsplätzen auf 10 Jahre mit der Aussicht auf Folgeaufträge ist angesichts der Arbeitsmarktsituation für den Wirtschaftsstandort Kiel sehr erfreulich."

Daß Kiel mit der Stationierung des EGV auf Jahre weiter ein Militärstandort bleiben wird und die Bemühungen um wirkliche Konversion damit ersteinmal ad acta gelegt werden können, kommt der SPD nicht in den Sinn. Warum auch? Auf Bundesebene, und nun auch in Kiel, ist sie ja seit geraumer Zeit an der Reinstallation von Deutschland als Großmacht und an der Kriegstreiberei in aller Welt beteiligt.

(jm)